Die Geschichte des Hörgeräts: Schwerhörigkeit ist kein modernes Phänomen. Hörprobleme existieren, seit es Menschen gibt. Von ersten akustischen Hilfen wird bereits, wenn auch ungesichert, in der Antike berichtet. Vom Hörrohr über den Hörschlauch bis zum digtalen In-Ohr-Hörgerät mit Mikrochip, dem Erfindungsreichtum für die Ohren waren über die Jahrhunderte kaum Grenzen gesetzt.
Ludwig van Beethoven ertaubte bereits mit Ende 20 nach und nach. Er benutze Hörrohre, die ihm der Regensburger Erfinder Johann Nepomuk Mälzel aus Metall anfertigte. Diese bewahrt heute das Beethoven-Haus in Bonn.
Wer die Welt verstehen und mit anderen kommunizieren möchte, muss hören können. Beeinträchtigungen des Gehörs, Schwerhörigkeit oder Taubheit stellten Menschen in allen Epochen vor große Herausforderungen. Bereits die Jäger und Sammler der Altsteinzeit packten das Problem bei den Hörnern, orteten sie doch die Geräusche, die Beutetiere im Unterholz verursachten, indem sie sich Büffelhörner ans Ohr hielten.
An dem Prinzip, besser Hören zu können, in dem man die Form der Ohrmuschel durch die eigene Hand, Tier- oder später metallgefertigte Hörner erweiterte, änderte sich bis ins 19. Jahrhundert kaum etwas. So entwickelte der Regensburger Erfinder Ludwig Johann Nepomuk Mälzel für den bereits mit Ende 20 an zunehmender Schwerhörigkeit leidenden Ludwig van Beethoven eine ganze Reihe unterschiedlich geformter Hörrohre. Diese konnte der Komponisten zum Teil sogar mit Reifen am Kopf befestigen.
Gesichert existierten Hörrohre, die 20 bis 30 Dezibel verstärken können, aber bereits im 17. Jahrhundert. Florian Breitsameter, Kurator der Abteilung Medizintechnik am Deutschen Museum in München, hat schon viele Exponate gesehen:
„Durch das Hörrohr wird der Schall gerichtet und Störgeräusche vermindert. Es gab Firmen, die hatten ein großes Sortiment aus unterschiedlichen Materialien: Schildpatt, Metalle, frühe Kunstoffe, Zelluloid.“
Florian Breitsameter, Kurator Abteilung Medizintechnik, Deutsches Museum, München
Vom Hörschlauch zum elektrischen Hörgerät
1820 kam der Hörschlauch auf, mit demselben Prinzip: Ein Schlauch mit einem trichterförmigem Schallfänger und einer Tülle, die man sich ins Ohr steckte.
Die Geschichte des Hörgeräts
Das erste elektrische Hörgerät meldete der amerikanische Elektroingenieur Miller Reece Hutchison 1901 unter dem Namen „Acousticon“ zum Patent an. Dieser Apparat beruhte auf dem Prinzip des Telefons, arbeitet mit einem Kohlemikrofon und verstärkte mithilfe elektrischer Spannung den Schall. Obwohl es zwölf Kilogramm wog, fand es Abnehmer, darunter die englische Königin Alexandra (1844 – 1925).
Nun ging es Schlag auf Schlag: Die Erfindung des Telefons revolutionierte die Hörgeräte-Technik. Das erste elektronische, in Deutschland gefertigte Gerät, den Hörapparat Type A, baute die Deutschen Akustik Gesellschaft im Jahr 1905. Das Signal wurde mit einer Batterie elektrisch verstärkt. Der Schalltrichter befand sich an einem dunkelbraunen, Zigarrenbox großem Kästchen, das man auf den Tisch legte. Dort konnte man hinein sprechen und der Schwerhörige nahm dann den Hörer, ähnlich einem Telefonhörer, der mit dem Kasten über eine Schnur verbunden war, und konnte plötzlich viel besser hören.
„Sie können sich das vorstelle wie ein altes Telefon: mit viel Rauschen, nicht so toll. Aber für die damaligen Leute war das eine Revolution.“
Florian Breitsameter, Kurator Abteilung Medizintechnik, Deutsches Museum, München
Eine derartige Revolution, dass die Kunden Dankesbriefe an den Hersteller schrieben: „Dank dieses Apparats konnte ich zum ersten Mal in meinem Leben Wasser kochen hören. Nochmals besten Dank dafür!“
Die Geschichte des Hörgeräts, erster großer Sprung: Fortschritt durch Transitortechnik
In den 1950er Jahren erfolgte der nächste, bahnbrechende Schritt. Durch die Erfindung des Transistors passten die Hörgeräte erst in eine Zigarettenschachtel und konnten in den 60er Jahre sogar hinter dem Ohr getragen werden, sagt Frederick Hahn von der Akademie für Hörakustik der Bundesinnung der Hörakustiker KdöR: „Durch Transistoren konnte man mit weniger Strom und weniger Platz Signale verstärken. Das war der große Durchbruch für Radios und eben auch Hörgeräte, die kleiner werden und längere Laufzeiten haben konnten. Schließlich ermöglichten sie auch die Konstruktion von besseren und kleinere Mikrofonen.“
Das versteckte Accessoire
Doch ein modisches Accessoire wie die Brille waren Hörgeräte immer noch nicht. Kein Zufall, dass auch die Bemühungen, Hörhilfen in Vasen oder Spazierstöcken zu verstecken, eine lange Geschichte haben.
„Da gab es zum Beispiel Modelle wie die Hör-Lorgnette, eine Brille, die ich mir vors Auge halte, für Damen. Das sieht sehr modisch aus. Und da war im Griff das Hörrohr versteckt.“
Florian Breitsameter, Kurator, Abteilung Medizintechnik, Deutsches Museum, München
Die Geschichte des Hörgeräts kenn auch Abstrusitäten: Der portugiesische König Johann VI. ließ sich Anfang des 19. Jahrhunderts gar einen Hörthron bauen. In der Handablage wurden vorne aufgerissene Löwenmäuler integriert. Als Schalltrichter fingen diese auf beiden Seiten den Schall ein. Unter dem Sitz wurde der Schall gebündelt und dann in der Rückenlehne hochgeleitet. Dort konnte man sich dann unauffällig wiederum einen Schlauch ins Ohr stecken. Ähnliche Konstruktionen sind bereits aus dem 18. Jahrundert überliefert.
Die Geschichte des Hörgeräts revolutioniert: Digitaltechnik fürs Ohr
Hörgeräte werden immer kleiner.
1966 führte die Firma Siemens Audiologische Technik in Erlangen schließlich „Siretta 339“ ein, das erste Im-Ohr-Hörgerät. Heutzutage verstecken sich alle Hörgeräte am oder im Ohr, mittlerweile mit digitaler Technik. Digitale Signalprozessor-Chips (DSP) wurden erstmals 1982 vorgestellt. In Massenproduktion gingen die ersten volldigitalen Hinter-dem-Ohr- und Im-Ohr-Hörgeräte aber erst Mitte der 1990er Jahre.
„Die digitalen Signale differenzieren genau zwischen Sprache und Umgebungsgeräusch. So kann man im Hörgerät die Sprachanteile lauter machen und die Verstärkungsleistung genau anpassen, damit der Schwerhörige auf die Hörkurve eines normal Hörenden gebracht wird.“
Frederick Hahn, Akademie für Hörakustik der Bundesinnung der Hörakustiker KdöR
Die neuesten digitalen Hörgeräte sind mittlerweile so winzig, dass sie im Ohr nahezu unsichtbar sind. Sie kommunizieren mit Smartphones, Fernsehern und der Induktionsschleife im Konzerthaus. So hätte heutzutage auch Beethoven seine Kompositionen hören können.
Quelle und Zitate: BR.DE Wissen / Von: Ortrun Huber und Tanja Gronde
Bild Transistorgerät: Deutsches Museum, München
Trug Karl May ein Hörgerät
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Digitale Hörgeräte können mehr
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