Die gesetzlichen Krankenkasse müssen ihren Mitgliedern auch teurere Hörgeräte bezahlen.
Ein 1963 geborener Mann, der in Vollzeit als Technischer Angestellter und Projektleiter für Mess-, Steuer- und Regeltechnik arbeitet, hatte gegen seine Krankenkasse geklagt, weil diese die Kosten für teurere Hörgeräte nicht übernehmen wollte.
Er argumentierte, dass auf Baustellen, bei Konferenzen und bei Telefonaten immer wechselnde Geräuschkulissen herrschen und er so bei Gesprächen nicht ausreichend verstehen könne.
Die von der Krankenkasse als Sachleistung angebotenen kostenfreien Hörgeräte könnten hier nicht ausreichend die Störgeräusche unterdrücken.
Der Projektleiter testete daraufhin mehrere Hörsysteme. Die Hörgeräte, die für seine beruflichen Anforderungen am besten geeignet waren, kosteten 4.300 Euro (abzüglich des Krankenkassenanteils in Höhe von 1.614 Euro). Der Mann beharrte darauf, dass die Krankenkasse, ihm diese einzig geeigneten Hörgeräte bezahlen müsse.
Das Hessische Landessozialgericht in Darmstadt folgte in einem Urteil (AZ L 1 KR 229/17) dieser Argumentation. Diese Kosten habe die Krankenkasse zu übernehmen, so die Richter.
Gesetzliche Krankenkassen müssen ihren Versicherten höherwertige Hörgeräte bezahlen, wenn damit Einschränkungen in der Erwerbsfähigkeit vermieden werden können. Behinderte Menschen hätten einen Anspruch auf medizinische Rehabilitation. Berufliche Einschränkungen sollen damit vermieden werden, teilte das Hessische Landessozialgericht in Darmstadt mit.
Die Richter: „Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen gemäß Paragraf 10 Absatz 1 Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI). Seine Erwerbsfähigkeit ist wegen körperlicher Behinderung (Schwerhörigkeit) gemindert oder jedenfalls erheblich gefährdet. Diese Gefährdung kann durch das streitige Hörgerätesystem als Leistung zur medizinischen Rehabilitation abgewendet werden.“
Jeder weiß: Hörgeräte unterscheiden sich in Ausführung, Preis und Qualität.
Je nach Beruf benötigen Schwerhörige demnach auch spezielle, teurere Hörgeräte, um ihren Beruf ohne Einschränkungen ausüben zu können.
Indes: Neu ist diese Situation, wie sie jetzt vom Landessozialgericht noch einmal bestätigt wurde, überhaupt nicht.
Grundsätzlich sind Krankenkassen verpflichtet, ihren Mitgliedern bei Vorliegen einer ohrenärztlich bescheinigten Höreinschränkung geeignete Hörgeräte zur Verfügung zu stellen.
Das können preiswerte und einfachere Geräte sein, aber durchaus auch teurere mit speziellen Funktionen.
Gemeinsam mit Schwerhörigenverbänden und Versichertenvertretern sowie Hörakustikern wurden aber die zuzahlungsfreien sogenannten Kassenhörgeräte definiert.
Diese robusten und einfach zu bedienenden Geräte bieten für die allermeisten Schwerhörigen eine durchaus ausreichende Versorgung.
Im Übrigen enthalten in der Regel auch die Kassenhörgeräte die gleiche Technik, wie wesentlich teurere. Bei den teureren stehen nur mehr Zusatzfunktionen zur Verfügung.
Diese Kassenhörgeräte kann der Versicherte (Stand 2018) kostenlos bekommen.
Das ist für alle Beteiligten (Schwerhöriger, Hörakustiker, Krankenkasse) ein sehr einfaches und schnell abzuwickelndes Verfahren.
Nur ziehen sich die Krankenkassen oft auf den Standpunkt zurück, mit diesen ausreichend ausgestatteten Basisgeräten sei für alle Schwerhörigen ein kostenfreies Optimum zu haben.
Da Menschen und ihre Hörverluste, sowie die Ansprüche und Anforderungen aber höchst unterschiedlich sind, stimmt diese Einschätzung der Krankenkassen leider nicht.
Es wird immer Fälle geben, in denen mit den Basisgeräten keine ausreichende Versorgung möglich ist.
In solchen Fällen muss der Versicherte vom standardisierten Verfahren abweichen und die teureren Geräte explizit bei der Krankenkasse beantragen.
Ein ausführliches ärztliches Attest ist hier ebenso erforderlich, wie eine stichhaltige Begründung des Antragstellers, sowie des Hörakustikers.
Solchen Anträgen wird überraschend oft stattgegeben, wenn sie denn gestellt werden.
Leider aber gehen auch die Hörakustiker lieber den bequemeren Weg. Oftmals erklären sie ihren Kunden diese Möglichkeit überhaupt nicht. Stattdessen raten sie zumeist zu teureren Geräten, bei denen der Kunde dann eine Zuzahlung leisten muss.
Leider ist es so, dass Hörakustiker ganz schlechte Erfahrungen mit den Krankenkassen gemacht haben. So ist es vorgekommen, dass ein Hörakustiker teure Geräte zum Kassenpreis abgeben musste, weil er anders einen Kunden nicht versorgen konnte. Diesen Schwarzen Peter wollen die Hörakustiker natürlich nicht zugeschoben bekommen.
Grundsätzlich sollte man immer auch die zuzahlungsfreien Geräte testen.
Überlegen Sie genau, wie oft Sie später mit den Hörgeräten (in durchaus schlechter Qualität) telefonieren werden. Ist die Verwendung eines Kinnbügelkopfhörers beim Fernsehen nicht ausreichend? Muss Musikstreaming in die Hörgeräte überhaupt sein?
Oft reichen die zuzahlungsfreien Hörgeräte schon aus. Wenn nicht, dann sollten Sie immer einen Antrag bei der Krankenkasse auch auf die Kostenübernahme für die teureren Geräte stellen.
Lassen Sie sich nicht mit einer Verzichtserklärung abwimmeln!
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Beitrag: Life-Of-Pix / Pixabay
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