Schubladenhörgeräte kosten die gesetzlich Krankenversicherten Millionen. Abertausende von absolut funktionstüchtigen Hörgeräten führen ein Schattendasein in irgendwelchen Schubladen. Obwohl der Betreffende sie dringend tragen müsste, lässt er sie lieber daheim im Schrank. Warum ist das so?
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- Warum setzen die Leute die Hörgeräte nicht ein und machen sie zu Schubladenhörgeräten?
- Aussagen von Betroffenen
- Die 3 Kernprobleme bei Schubladenhörgeräten
- Doch was ist zu Schubladenhörgeräten zu sagen?
- 1. Batterie sparen
- 2. Die Geräte sind unbequem
- 3. Schlechtes Verstehen
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Schubladenhörgeräte: Laut Studien benutzen bis zu 50 Prozent der über 60-Jährigen ihre Hörgeräte gar nicht oder nur selten.
Ralf Butscher, wissenschaft.de
Ich habe das mit den Schubladenhörgeräten selbst mehrfach und bei vielen Hörgeräteträgern beobachtet.
Zunächst konnte ich dieses Verhalten gar nicht verstehen. Seit ich mit einem Hörgerät versorgt bin, trage ich es eigentlich ständig, außer beim Schlafen. Ohne das Gerät komme ich mir taub vor. Dass ich ein Gerät habe, vergesse ich oft sogar, so leicht und angenehm ist es.
Warum setzen die Leute die Hörgeräte nicht ein und machen sie zu Schubladenhörgeräten?
Wie kommt es aber, daß ich so viele Leute kenne, die ihre Hörgeräte in die Schublade legen und nicht mehr benutzen? (Wir sprechen in diesem Zusammenhang auch von „Schubladen-Geräten“.)
Ein Onkel beispielsweise hat sich vor ungefähr 3 Jahren im Alter von 79 Jahren die ersten Hörgeräte anpassen lassen. Was für ein Segen! Seine Frau und wir anderen Verwandten waren heilfroh. Endlich verstand er wieder etwas und konnte sich an Gesprächen beteiligen. Außer zwei hauchdünnen Schläuchen, die auch noch von den Koteletten verdeckt waren, war nichts von den wahrlich winzigen Hinter-dem-Ohr-Geräten zu sehen.
Und doch sehe ich jetzt immer wieder, dass die extrem teuren Hörgeräte (zusammen weit über 5.000 €) nun immer hübsch in der offenen Schachtel „aufgebahrt“ auf dem Wohnzimmertisch liegen. Nur im Ohr landen sie nicht mehr.
Auch ein Freund (81 Jahre alt) trägt seit fast 20 Jahren Hörgeräte. Erst von einem guten Jahr wurde er mit aktuellen Geräten der Marke Phonak neu versorgt. Ihn muss ich immer bitten, die Dinger doch einzusetzen, denn auch bei ihm liegen sie nur nutzlos und ungenutzt herum.
Noch extremer ist Walter, ein guter Bekannter. Seit dem 60 Lebensjahr hat er Hörgeräte und besorgt sich brav alle 6 Jahre neue. Mittlerweile ist eine ganze Schublade voll mit Hörgeräten. Nur tragen tut er keins. Vielleicht mal, wenn eine Familienfeier ansteht, aber sonst nicht.
Aussagen von Betroffenen
Ich frage den Onkel, warum er lieber schwer hört, als die Geräte einzusetzen:
– Die Geräte sind unbequem
– Das verbraucht nur unnötig teure Batterien
– Ich kann mit den Apparaten nicht gut hören
Nun die Aussagen des 81-jährigen Freundes:
– Ich bin die meiste Zeit allein, was brauche ich die da?
– Die Geräte sind unbequem
– Ich höre mit den Geräten alles so fremd und unnatürlich
– Ich lasse die Hörgeräte in der Schublade
Und nun Walter mit seiner Hörgeräte-Schubladensammlung:
– Ich schone den Geldbeutel, weil die Batterien so teuer sind
– Mir Jucken die Ohren und ich finde sie unbequem
– Der Klang ist unnatürlich.
Das einzige Argument, das ich gelten lassen könnte, ist das des 81-jährigen, der da sagt: Ich bin die fast immer allein.
Sicher, es gibt gute Gründe, die Geräte trotzdem zu tragen, aber dieses Argument verstehe ich. Wenn es nichts zu hören gibt, weil ein alter Mensch ganz alleine in der Wohnung ist, nutzen Hörgeräte rein gar nichts. Da ist es wahrscheinlich sinnvoller, sie nur bei Bedarf zu nutzen.
Die 3 Kernprobleme bei Schubladenhörgeräten
Aber alle anderen Aussagen lassen sich auf 3 Kernaussagen herunterbrechen:
1. Batteriestrom sparen
2. Unangenehm sitzende Geräte
3. Schlechtes Verstehen mit den Geräten
Doch was ist zu Schubladenhörgeräten zu sagen?
Das Gehirn muss sich erst wieder an die zurückgewonnenen Höreindrücke gewöhnen.1. Batterie sparen
Dazu gibt es eigentlich überhaupt keinen Grund. Denn moderne Hörgeräte kommen mit den aktuellen Zink-Luftbatterien sehr lange aus und die Batterien sind, wenn man sie nicht gerade beim teuersten Händler kauft, auch sehr günstig. Bei rund 25 Cent pro Batterie bekommen man für 15-20 Euro einen ganzen Jahresbedarf. Die Kosten sind also ganz sicher nur ein vorgeschobenes Argument.
Außerdem gibt es ja inzwischen aufladbare Akkus, die nur rund 20-30 Euro kosten (plus einmalige Anschaffung des Ladegerätes für rund 80 Euro).
2. Die Geräte sind unbequem
Tja, sage ich jetzt mal, wenn man sie nie trägt, kann man sich auch nicht an das Tragen der Geräte gewöhnen. Aller Anfang ist schwer. Und neben der gewöhnung an den neuen akustischen Eindruck, muss man sich auch an das Vorhandesein eines Gerätes am und im Ohr erst gewöhnen. Zieht man aber seine Hörgeräte immer nur stundenweise an, kann dieser gewöhnungseffekt nicht eintreten. Die Geräte werden dann auch nach Jahren noch als Fremdkörper empfunden.
Auch schlechte Otoplastiken führen zu Schubladenhörgeräten. Vielfach sehe ich auch grobe Otoplastiken. Eventuell kann in einem Gespräch mit dem Akustiker eine offenere Versorgung mit einer weiter ausgesägten Otoplastik oder mit einem Ex-Hörer mit Schirmchen die bequemere Alternative sein. Wenn ich zuschaue, wie mühsam sich der o.g. 81-jährige seine Otoplastik ins Ohr „schraubt“, dann erscheint es mit fast so, als ob diese gar nicht perfekt sitzt. Auch das kann ein Grund für die Ablehnung sein.
3. Schlechtes Verstehen
Was für das Tragen an sich gilt, gilt auch für das akustische Gefühl. Kein Hörgerät dieser Welt kann ein intaktes Ohr ersetzen. Jedes Hörgerät ist und bleibt immer nur eine Krücke, ein Hilfsmittel. Das was es ermöglicht ist aufgrund der technischen Entwicklung schon ganz hervorragend, aber es bleibt immer nur ein Kompromiss. Auch daran muss sich der Hörgeräteträger erst gewöhnen. Tut er das nicht, wird sein Hörgerät zum Schubladenhörgerät.
Gewöhnen muss er sich aber auch an das Wieder-Hören. Denn nach einem schleichenden, jahrelangen Hörverlust hat das Gehirn die normale Hörwahrnehmung bereits verlernt. Das ist mit einer der Gründe, weshalb Leute ihre Hörgeräte zu Schubladenhörgeräten verkommen lassen.
Mit einem Hörgerät kommen jetzt wieder Hörreize auf das Gehirn zu, deren Verarbeitung erst einmal wiedererlernt werden will.
Das kann aber nur gelingen, wenn über eine längere Phase in Zusammenarbeit mit dem Hörakustiker eine Anpassung der Parameter vorgenommen wird.
Der Kunde muss erst wieder lernen, wie sich Hören anfühlt und anhört.
Natürlich ist auch jeder Schwerhörige froh, wenn ihm geholfen wird. Die Versprechungen des Akustikers und der GeräteHersteller klingen ja auch toll.
Die Ergebnisse, die letztlich mit dem HG erzielt werden, können aber nur dann auch so toll sein, wenn das Hörgerät dann auch richtig und ständig getragen wird.
Oft ist aber schon nach wenigen Wochen die Freude am neuen Gerät verflogen und es landet dann eben als Schubladenhörgerät im Schrank.
Lesen Sie auch zum Thema Schubladenhörgeräte:
https://www.wissenschaft.de/allgemein/hoergeraete-in-der-schublade/
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