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Bonebridge oder Cochlea-Implantat: Welches Hörimplantat bei Otosklerose?

Bonebridge

Otosklerose ist eine der häufigsten Ursachen für einen fortschreitenden Hörverlust im Erwachsenenalter. Viele Betroffene kommen mit konventionellen Hörgeräten oder einer Operation am Steigbügel gut zurecht. Doch was passiert, wenn diese Maßnahmen nicht mehr ausreichen?

Dann rücken aktive Hörimplantate in den Fokus – insbesondere das Knochenleitungsimplantat Bonebridge und das Cochlea-Implantat (CI). Dieser Artikel gibt einen Überblick, wie diese Systeme funktionieren, in welchen Situationen sie zum Einsatz kommen und warum eine rechtzeitige Versorgung so wichtig ist.

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Was passiert bei Otosklerose?

Bei einer Otosklerose bildet der Körper krankhaft Knochengewebe im Bereich des Übergangs vom Mittel- zum Innenohr. Im Verlauf verknöchern Strukturen des Mittelohres, insbesondere der Steigbügel (Stapes) oder seine Umgebung. Dadurch verlieren die Gehörknöchelchen ihre Beweglichkeit und können Schall nicht mehr effizient an das Innenohr weiterleiten.

Die Folgen reichen von leichten Hörminderungen bis hin zu einer ausgeprägten Schwerhörigkeit oder sogar Ertaubung. Typisch ist zunächst ein sogenannter Schallleitungshörverlust. Bleibt die Erkrankung lange bestehen oder schreitet fort, kann auch das Innenohr (Cochlea) in Mitleidenschaft gezogen werden.

Konventionelle Behandlung: Beobachten, Hörgeräte, Stapes-Operation

Zu Beginn empfehlen HNO-Fachärztinnen und -ärzte oft eine Beobachtung des Verlaufs. Leichte Höreinbußen lassen sich häufig mit konventionellen Hörgeräten ausgleichen. Verschlechtert sich der Schallleitungshörverlust deutlich, kommt häufig eine Operation infrage: bei einer Stapedektomie oder Stapesplastik wird der verknöcherte Teil des Steigbügels entfernt und durch ein passives Mittelohrimplantat ersetzt.

Viele Patientinnen und Patienten hören nach einer solchen Operation deutlich besser. Dennoch bleibt ein Teil der Betroffenen zurück: Studien und Erfahrungsberichte zeigen, dass etwa zehn bis fünfzehn Prozent weder von der Operation noch von klassischen Hörgeräten ausreichend profitieren. Genau für diese Gruppe können aktive Hörimplantate eine wichtige Option sein.

Aktive Hörimplantate bei Otosklerose

Aktive Hörimplantate umgehen die beeinträchtigten Strukturen im Ohr und übertragen Schall auf einem alternativen Weg. Bei Otosklerose kommen vor allem zwei Systeme in Betracht:

  • Knochenleitungsimplantate wie die Bonebridge bei vorwiegender Schallleitungsschwerhörigkeit
  • Cochlea-Implantate (CI), wenn zusätzlich das Innenohr deutlich geschädigt ist

Für viele Betroffene mit Otosklerose lässt sich anhand der Hördiagnostik gut abschätzen, welches System geeignet ist. Die genaue Entscheidung trifft ein spezialisiertes Implantat- oder CI-Zentrum gemeinsam mit der Patientin bzw. dem Patienten.

Bonebridge: Umgehung des Mittelohrs über Knochenleitung

Die Bonebridge ist ein aktives Knochenleitungsimplantat. Es nutzt die Eigenschaft des Schädelknochens, Schwingungen direkt an das Innenohr weiterzuleiten. Damit umgeht es das erkrankte Mittelohr und die unbeweglichen Gehörknöchelchen.

Vereinfacht dargestellt funktioniert das so:

  • Schall wird von einem außen getragenen Audioprozessor aufgenommen.
  • Das Implantat wandelt die Signale in mechanische Schwingungen um.
  • Diese Schwingungen werden über den Knochen an das Innenohr weitergegeben.
  • Das Innenohr verarbeitet die Informationen wie bei normaler Schallleitung.

Vor allem bei ausgeprägter Schallleitungsschwerhörigkeit und weitgehend intakter Cochlea kann ein Knochenleitungsimplantat das Hören deutlich verbessern. Die natürliche Arbeitsweise des Innenohres bleibt erhalten, sodass Betroffene häufig eine sehr vertraute Klangwahrnehmung berichten.

Cochlea-Implantat: Wenn das Innenohr mitbetroffen ist

Wenn die Otosklerose so weit fortgeschritten ist, dass auch das Innenohr seine Aufgabe nicht mehr im ausreichenden Maße erfüllen kann, stößt die Knochenleitung an ihre Grenzen. In diesen Fällen kommt ein Cochlea-Implantat in Betracht.

Ein CI setzt nicht auf mechanische Schwingungen, sondern auf elektrische Signale:

  • Ein außen getragener Sprachprozessor nimmt Schall auf und verarbeitet ihn.
  • Das Implantat im Innenohr wandelt die Informationen in elektrische Impulse um.
  • Diese Impulse stimulieren direkt den Hörnerv.

Die Hörwahrnehmung unterscheidet sich anfangs von der natürlichen – das Gehirn muss lernen, die neuen Signale zu interpretieren. Studien zeigen jedoch, dass Betroffene mit weit fortgeschrittener Otosklerose von einem CI häufig stärker profitieren als von einer erneuten oder alleinigen Stapes-Rekonstruktion. Eine aktuelle systematische Übersichtsarbeit mit Metaanalyse kommt zu dem Schluss, dass Cochlea-Implantationen bei weit fortgeschrittener Otosklerose eine effektive Option darstellen und zu einer hohen Zufriedenheit führen
(Kondo et al., 2023).

Warum frühe Hörstimulation so wichtig ist

Keine der genannten Maßnahmen – weder Stapes-Operation, noch Knochenleitungsimplantat, noch Cochlea-Implantat – kann das krankhafte Knochenwachstum an sich aufhalten. Sie können jedoch die Folgen für das Hören und das Nervensystem entscheidend beeinflussen.

Bleibt ein Ohr über längere Zeit nahezu unversorgt, kann sich der Hörnerv zurückbilden. Tierexperimentelle Studien zeigen, dass elektrische Stimulation über ein Cochlea-Implantat dazu beitragen kann, Zellen im Hörnervenverbund zu erhalten oder deren Abbau zu verlangsamen
(Kopelovich et al., 2013;
Chen et al., 2010).
Auch im Hörkortex des Gehirns können sich längerfristige positive Effekte zeigen, wenn nach einer Phase starker Schwerhörigkeit wieder kontinuierliche Stimulation erfolgt
(Fallon et al., 2014).

Für Betroffene bedeutet das: Ein möglichst frühzeitiger Einsatz passender Hörhilfen – ob konventionelles Hörgerät, Knochenleitungsimplantat oder Cochlea-Implantat – hilft nicht nur beim Verstehen im Alltag, sondern unterstützt auch die langfristige Erhaltung der Hörbahn und die kognitive Verarbeitung von Geräuschen und Sprache.

Bonebridge oder Cochlea-Implantat: Welche Lösung ist die richtige?

Die Entscheidung zwischen Bonebridge und Cochlea-Implantat hängt von mehreren Faktoren ab:

  • Art des Hörverlusts: Liegt vor allem ein Schallleitungshörverlust vor, kommt bevorzugt ein Knochenleitungsimplantat infrage. Ist das Innenohr stark mitbetroffen, ist ein CI eher geeignet.
  • Hörvermögen des Innenohres: Audiometrie, Sprachaudiometrie und weitere Tests liefern Hinweise, wie gut die Cochlea noch arbeitet.
  • Alltag und Hörziele: Berufliche Anforderungen, Kommunikationsbedarf, Freizeitaktivitäten und persönliche Erwartungen spielen eine wichtige Rolle.
  • Medizinische Voraussetzungen: Anatomie, Vorerkrankungen und bisherige Operationen müssen berücksichtigt werden.

Welche Lösung im individuellen Fall sinnvoll ist, klärt ein erfahrenes HNO-Team oder ein spezialisiertes CI- und Implantat-Zentrum nach ausführlicher Diagnostik und Beratung. Oft werden verschiedene Optionen detailliert erläutert, damit Betroffene eine informierte Entscheidung treffen können.

Fazit: Chancen nutzen – Hörstörungen nicht „aussitzen“

Otosklerose ist zwar nicht heilbar, aber in jeder Phase gut behandelbar. Klassische Hörgeräte, Stapes-Operationen, Knochenleitungsimplantate und Cochlea-Implantate bilden zusammen ein breites Spektrum an Möglichkeiten. Besonders wichtig ist, Hörverluste nicht über Jahre hinweg „auszusitzen“, sondern frühzeitig geeignete Hörhilfen einzusetzen.

Aktive Hörimplantate wie Bonebridge oder CI können gerade dann eine entscheidende Rolle spielen, wenn die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen oder wenn sowohl Mittelohr als auch Innenohr betroffen sind. Wer eine entsprechende Diagnose erhalten hat, sollte sich ausführlich in einem spezialisierten Zentrum beraten lassen und gemeinsam mit Fachleuten abwägen, welches System zu Hörverlust, Lebenssituation und persönlichen Zielen am besten passt.

Wichtiger Hinweis: Dieser Beitrag ersetzt keine ärztliche Beratung. Ob ein Hörimplantat geeignet ist und welches System infrage kommt, kann nur im Rahmen einer individuellen Untersuchung durch HNO-Fachärztinnen und -ärzte sowie spezialisierte Implantat-Zentren entschieden werden.

Literatur

  1. Kondo M et al. Cochlear Implantation in Far Advanced Otosclerosis: A Systematic Review and Meta-Analysis. Laryngoscope. 2023;133(6):1288–1296. doi: 10.1002/lary.30386.
  2. Kopelovich JC et al. Intracochlear electrical stimulation suppresses apoptotic signaling in rat spiral ganglion neurons after deafening in vivo. Otolaryngol Head Neck Surg. 2013;149(5):745–752. doi: 10.1177/0194599813498702.
  3. Chen I et al. The effect of cochlear-implant-mediated electrical stimulation on spiral ganglion cells in congenitally deaf white cats. J Assoc Res Otolaryngol. 2010;11(4):587–603. doi: 10.1007/s10162-010-0234-3.
  4. Fallon JB et al. Effects of chronic cochlear electrical stimulation after an extended period of profound deafness on primary auditory cortex organization in cats. European Journal of Neuroscience. 2014;39(5):811–820. doi: 10.1111/ejn.12445.

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