In einem dieser Frage-Antwortportale stellte jemand diese Frage hier:
Welche Hörgeräte sind zu empfehlen?
Meine 78jährige Mutter ist schwerhörig. Seit ca. 5 Jahren trägt sie Hörgeräte. Solche wie sie hat, habe ich noch nie gesehen.
Relativ große hellbraune Geräte hinter dem Ohr, von denen ein durchsichtiger Schlauch direkt ins Ohr geht.
Sie hört damit aber sehr schlecht. Beim Telefon schreit sie regelrecht, versteht aber den Anrufer nicht.
Ist das schon die Grenze zur Taubheit?
Sie lässt sich da nichts sagen, die Kombination Brille Hörgerät muss doch irgendwie zu regeln sein.
Daraufhin antwortet dann irgendein Laie:
Es gibt heute Teile, die man kaum noch sieht, und die sogar Bluetooth haben, die kann man mit Telefonen koppeln, oder mit Tablets.
Die kosten natürlich ein paar Euronen, aber die Kassenmodelle sind auch nicht schlecht. BESSER als das Zeugs, was deine Mutter hat.
Das ist ein Grund für unsere Redaktion, mal mit einem MOMENT MAL! oder einem JA ABER! einzuschreiten.
Analysieren wir mal die Ausgangssituation:
1. Es handelt sich um eine ältere Person, über deren physischen und psychischen Zustand wir nichts wissen.
2. Sie hat 5 Jahre alte Hörgeräte, die also durchaus modern und aktuell sind
3. In rund einem Jahr hat die Dame Anspruch auf neue Kassenhörgeräte bzw. eine Zuzahlung der Krankenkasse.
4. Es sind große „altmodische“ Geräte mit Schallschlauch und Otoplastik.
5. Sie hört damit schlecht.
6. Die Tochter denkt, eine Hörbrille könne das Problem lösen.
Der Antwortgeber beweist seine vorschnell zur Schau getragene Inkompetenz durch diese Behauptungen:
1. Die Dinger sind uralt.
2. Vermutlich sind die Batterien leer.
3. Sie sind schon ewig kaputt.
4. Es gibt Teile, die man kaum noch sieht.
5. Die haben Bluetooth und können mit Telefonen und Tablets gekoppelt werden.
6. Andere Geräte sind besser als das Zeug, was die Dame hat.
Überlegen wir doch einmal gemeinsam.
Die Dinger sind uralt
Nein, sind sie nicht. Auch vor 5 Jahren gab es schon sehr gute Hörgeräte. Üblicherweise haben Hörgeräteträger ihre Hörgeräte immer länger als 5 Jahre. Die Krankenkasse zahlt alle 6 Jahre neue Kassenhörgeräte oder einen Zuschuss zu teureren Hörgeräten. Die allermeisten Hörgeräteträger haben Geräte an den Ohren die genauso alt sind oder gar älter.
Von „uralt“ kann hier überhaupt keine Rede sein. Uralte Geräte wären 10 oder 15 Jahre alt.
Geräte von vor 5 Jahren sind durchaus noch aktuell und können, wenn kein technischer Defekt vorliegt, auch noch einige Jahre getragen werden.
Vermutlich sind die Batterien leer
Wir wissen gar nicht, auf welcher Grundlage der unwissende Antwortgeber es sich zutraut, diese Vermutung abzugeben.
Richtig wäre der Rat gewesen, die Batterien mal zu kontrollieren. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ältere Menschen gar nicht mitbekommen, wenn die Hörgeräte gar nicht funktionieren.
So gesehen ist die Idee des Antwortenden nicht verkehrt. Wir müssen aber grundsätzlich einmal davon ausgehen, dass ein Hörgeräteträger mit 5 Jahren Hörgeräteerfahrung zumindest in diesem Punkt ausreichende Erfahrungen hat.
Die Hörgeräte sind schon ewig kaputt
Einfach mal so in den Raum gerotzt, diese Behauptung. Nein, diese Hörgeräte sind weder uralt, noch in einem Alter, wo Sie schon ewig kaputt sein müssen. Das könnte man vielleicht über Geräte aus den 60er Jahren mutmaßen. 5 Jahre alte Geräte funktionieren in aller Regel noch wunderbar.
Es gibt Teile, die man kaum noch sieht
Ja, die gibt es. Ob aber eine fast 80jährige Person mit diesen Winzlingen zurechtkommt, ist die andere Frage. Kann die Seniorin die winzigen Bedienelemente überhaupt noch bedienen?
Hier würden wir ein besser handhabbares Hinter-dem-Ohr-Hörgerät bevorzugen.
Die haben Bluetooth und können mit Telefonen und Tablets gekoppelt werden.
Auch hier würden wir uns fragen, ob ausgerechnet eine fast 80jährige Interesse daran hat, ihre Hörgeräte via Bluetooth zu koppeln. Hat so jemand überhaupt die Fähigkeiten und das Interesse, sein Hörgerät mit dem Smartphone zu bedienen? Wir wissen, dass viele Ältere das mit Begeisterung tun. Aber wir wissen auch, dass die ganz überwiegende Zahl der betagten Senioren das überhaupt nicht haben möchte.
Andere Geräte sind besser als das Zeug, was die Dame hat.
Das kann überhaupt niemand sagen. Nur jemand, der nicht den Funken einer Ahnung hat, kann so eine Aussage treffen.
Wir kennen ja weder die Marke, noch den Typ der Hörgeräte. Es kann sich durchaus um sehr teure und ehemals hervorragend angepasste Hörgeräte handeln.
Nichts deutet darauf hin, dass dies schlechte, billige oder kaputte Hörgeräte sind.
Wie soll man jetzt vorgehen?
Ganz einfach. Zunächst sollte die Tochter wirklich die zwei Fehlerquellen ausschließen. Sie sollte die Batterien kontrollieren und nachschauen, ob die Hörgeräte überhaupt funktionieren.
Ist beides okay, führt der nächste Weg zum Hörakustiker. Der soll einen neuen Hörtest machen, um festzustellen, wie das aktuelle Hörvermögen der Seniorin ist.
Es ist durchaus anzunehmen, dass es sich im Verlaufe der Jahre verschlechtert haben könnte.
Danach fällt die Entscheidung, ob die bisherigen Hörgeräte neu eingestellt werden können/sollen oder ob man auf neue Hörgeräte zusteuert.
Diese werden ja in Kürze wieder bezahlt, bzw. bezuschusst.
Wie man sich da entscheidet, würden wir vom damaligen Hörgerätepreis abhängig machen.
Sind die vorhandenen von der Kasse bezahlt worden, dann sollte man auch wieder auf diese Art der Folgeversorgung zu steuern. Hier gibt es nach 5 Jahren schon wieder hübschere, leicht zu bedienende und moderne digitale Modelle. Eventuell sind Powermodelle mit stärkerer Leistung notwendig. Auch die gibt’s von der Kasse.
Waren das vor 5 Jahren teuer gekaufte Hörgeräte, hat man zwei Wege.
Entweder man geht, wie oben beschrieben den Weg hin zu kostenfreien neuen Kassenhörgeräten. Bitte nicht irre machen lassen: Auch mit Kassengeräten ist ein Hörverlust gut ausgleichbar!
Oder aber man sagt, dass die Ausgabe vor 5 Jahren so hoch war und man die Geräte noch ein paar Jahre nutzen möchte. Es gibt bei Hörgeräten kein Verfallsdatum! Niemand ist gezwungen, nach 6 Jahren neue zu nehmen!
Die Geräte können durchaus neu eingestellt und auf die Seniorin angepasst werden.
Natürlich besteht ja auch die Möglichkeit, dass die alte Dame vermögend ist. Dann ab zum Hörgeräteakustiker und die vorhandenen Geräte durchchecken lassen. Wenn da nichts mehr rauszuholen ist: Schöne starke neue Geräte kaufen.
Bilder:
Titel: Gellinger / Pixabay
Ei: ColiN00B / Pixabay
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