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Mehrwertsteuer – Abgebrochene Hörgeräteanpassung

Ein Symbolbild für Gerichtsurteile. Es zeigt zwei Gesetzbücher auf einem Tisch. Daneben liegt ein Richterhammer.

OFD Frankfurt/M.S
7100 A – 205 – St
110

Umsatzsteuerliche
Auswirkungen der „abgebrochenen Hörgeräteversorgung” der
Reparaturpauschalen bei der Lieferung von Hörgeräten und beim Austausch der
Otoplastik

Bezug:

1. Allgemeines

Fraglich ist, wie die Nichtabnahme bzw. Rückgabe von Hörgeräten und dazugehörigen Ohrpasstücken (Otoplastik) durch Kunden bzw. deren Reparatur umsatzsteuerrechtlich zu würdigen ist. Nach der im Folgenden dargestellten Rechtsauffassung kann in allen Fällen, in denen gleichlautende Vereinbarungen mit den jeweiligen AOK-Landesverbänden oder anderen Krankenkassen abgeschlossen wurden und die tatsächliche Abwicklung diesen Vereinbarungen entspricht, entsprechend verfahren werden.

Diese umsatzsteuerrechtliche Behandlung ist insbesondere im Rahmen von Außenprüfungen zu beachten und zu überprüfen

2. Abgebrochene Hörgeräteversorgung

Die Bundesinnung der Hörgeräteakustiker Mainz hat mit verschiedenen Krankenkassen Verträge über die Lieferung und Reparatur von Hörgeräten und Zubehör getroffen. Ergänzend zum Vertrag wurde eine Vereinbarung über die Zahlung einer Anpasspauschale und der Sachkosten für die Otoplastik bei abgebrochener Hörgeräteversorgung geschlossen. Im Rahmen von geplanten Neuversorgungen (erstmalige Ausstattung von Versicherten mit Hörgeräten einschließlich notwendigem Zubehör) kann die Hörgeräteversorgung aus verschiedenen Gründen abgebrochen werden, z. B.:

  • Der Versicherte stirbt während der Anpassungsphase.

  • Der Versicherte kann das Hörgerät nicht bedienen.

  • Der Versicherte erreicht trotz ordnungsgemäßer Anpassung durch den Hörgeräteakustiker nicht das optimale Hörvermögen.

  • Das Hörgerät verursacht Komplikationen im physischen Bereich.

In derartigen Fällen erstattet die leistungspflichtige Krankenkasse eine Deckungsbeitragspauschale (Anpasspauschale) für alle Aufwendungen, die dem Akustiker bei der Herstellung des Hörgerätes entstanden sind. Zusätzlich erstattet sie die Sachkosten für die Herstellung der Otoplastik. Das angefertigte Hörgerät kann für einen anderen Versicherten wieder verwendet werden. Dagegen kann das speziell für den jeweiligen Versicherten nach dessen anatomischen Verhältnissen angefertigte Ohrpassstück (Otoplastik) nicht wieder verwendet werden.

3. Umsatzsteuerrechtliche Würdigung

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. der Anlage zu § 12 UStG Nr. 52d unterliegt die Lieferung von Schwerhörigengeräten an den Patienten einschließlich aller im unmittelbaren Zusammenhang mit der Lieferung stehenden Leistungen (unselbständige Nebenleistungen), z. B. Otoplastik oder Ladegerät, dem ermäßigten Steuersatz. Teile und Zubehör, z. B. Ersatzteile (Batterien, Hörer), unterliegen dagegen dem Regelsteuersatz, wenn sie Gegenstand einer selbständigen Lieferung sind. Der Regelsteuersatz ist auch auf eventuelle Reparaturleistungen der Akustiker anzuwenden. Der ermäßigte Steuersatz ist nur auf Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG anzuwenden. Danach liegt eine Lieferung vor, wenn ein Unternehmer (Akustiker) einen Dritten befähigt (Versicherter), in eigenem Namen über einen Gegenstand (Hörgerät) zu verfügen, ihm somit Verfügungsmacht über einen Gegenstand verschafft.

3.1 Abgebrochene Hörgeräteversorgung bei Tod des Versicherten während der Anpassungsphase

Aus umsatzsteuerlicher Sicht kommt es zu keiner Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG, da dem Versicherten hier keine Verfügungsmacht an dem Hörgerät verschafft werden kann. Bei der Anpasspauschale für das Hörgerät handelt es sich um eine Anzahlung auf eine später auszuführende Lieferung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 UStG, da das Hörgerät bei einem anderen Versicherten wieder verwendet werden kann. Zwar fehlt es bei der Vereinnahmung der Anpasspauschale durch den Akustiker noch an einer konkreten Leistungsvereinbarung mit einem neuen Versicherten, aber bei einer derart dauernden Geschäftsverbindung zwischen den Akustikern und der Krankenversicherung mit sich regelmäßig wiederholenden Aufträgen ist davon auszugehen, dass es sich dennoch um eine Anzahlung für eine künftige Hörgerätelieferung handelt, die zur Entstehung der Umsatzsteuer führt (Abschn. 13.5. Abs. 3 UStAE). Der Steuersatz für diese Anzahlung ist von der künftigen Leistung abhängig. Die Anzahlung gehört zu einer Lieferung (Schwerhörigengerät), die dem ermäßigten Steuersatz unterliegt. Die Vereinnahmung der Anpassungspauschale unterliegt nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Nr. 52d der Anlage 2 insoweit dem ermäßigten Steuersatz.

Die Erstattung der Sachkosten für die nicht wieder verwendbare Otoplastik ist keine Anzahlung im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1a S. 4 UStG, da dieses Ohrpassstück bei keiner anderen Lieferung verwendet werden kann. Aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht handelt es sich hier um echten Schadenersatz – eine Vertragsstrafe, die wegen Nichterfüllung geleistet wird –, der nicht der Umsatzsteuer unterliegt (Abschn. 1.3. UStAE). Bei einem wie hier vorliegenden „abgebrochenen Austauschverhältnis” hat der Unternehmer (Akustiker) bereits Aufwendungen getätigt oder Teile der vertraglichen Leistung fertiggestellt, wenn das Vertragsverhältnis durch Aufkündigung beendet wird. Der Patient kommt somit seiner Vertragsverpflichtung nicht nach. Die Krankenkassen erfüllen mit der Erstattung der Sachkosten für die Otoplastik die aus den vertraglichen Vereinbarungen entstandene Entschädigungsverpflichtung. Die Zahlung der Sachkosten für die Otoplastik unterliegt aus den vorgenannten Gründen somit als echter Schadenersatz nicht der Umsatzsteuer.

3.2 Abgebrochene Hörgeräteversorgung aus den übrigen aufgeführten Gründen

In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass das Hörgerät zunächst in die Verfügungsmacht des Versicherten gelangt und damit umsatzsteuerrechtlich eine Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG ausgeführt worden ist, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegt. Der Akustiker muss diesen Umsatz im Voranmeldezeitraum der Übergabe des Hörgerätes an den Versicherten (in vollem Umfang) anmelden. Wird das Hörgerät aus den bereits genannten Gründen zurückgegeben, ist umsatzsteuerrechtlich von einer Rückgängigmachung der Lieferung auszugehen. Dies führt dazu, dass der Akustiker seinen angemeldeten Umsatz nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG im Voranmeldezeitraum der Rückgabe des Hörgerätes zu ändern hat. Erfolgen Lieferung und Rückgängigmachung im selben Voranmeldezeitraum, ist dieser Vorgang in seiner Umsatzsteuervoranmeldung nicht zu berücksichtigen. Die bei diesen abgebrochenen Hörgeräteversorgungen zu entrichtende Anpasspauschale für das wiederverwendbare Hörgerät ist – wie unter Tz.3.1 ausgeführt – als Anzahlung auf eine künftige Hörgerätelieferung dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen.

Für die Erstattung der Sachkosten für die Otoplastik gelten die unter Tz. 3.1 aufgeführten Grundsätze der Behandlung als echter nichtsteuerbarer Schadenersatz.

4. Reparaturpauschalen bei der Lieferung von Hörgeräten

Da der Vertrag sich ausschließlich auf Reparaturleistungen bezieht und für den Kauf der Geräte andere vertragliche Vereinbarungen gelten, handelt es sich bei der Reparaturpauschale um eine Vorauszahlung für eine selbständige Leistung des Hörgeräteakustikers (Reparaturleistung). Auf diese Leistung ist der Regelsteuersatz von 19 % anzuwenden.

Die vom Hörgeräteakustiker für die Dauer von mehreren Jahren übernommenen Wartungs- und Reparaturarbeiten auf Basis einer einmaligen pauschalen Vergütung stellen auch kein selbstständiges Garantieversprechen dar, welches nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG umsatzsteuerfrei ist.

Die Versorgungspauschale ist deshalb in einen Teilbetrag für die Lieferung des Hörgerätes (ermäßigter Steuersatz) und in einen solchen für die zu erbringende Reparaturleistung (Allgemeiner Steuersatz) aufzuteilen.

5. Austausch der Otoplastik

Der Austausch (Ersatz) der Otoplastik ist eine (Reparatur-)Leistung des Hörgerätes, das ansonsten nicht mehr voll funktionsfähig wäre. Diese sonstige Leistung ist mit dem Regelsteuersatz von 19 % zu besteuern.

Im Übrigen wäre auch bei Vorliegen einer Lieferung der volle Steuersatz anzuwenden, da eine Lieferung von Prothesenteilen bzw. Zubehör in der Anlage zum UStG ausdrücklich von der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ausgenommen ist.

Die bisherige ist gegen diese auszutauschen.

OFD Frankfurt/M. v. S
7100 A – 205 – St
110

Fundstelle(n):
XAAAE-82481

Bildquellen

  • Richter: pixabay
Lesezeit ca.: 9 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 29. Juni 2020 | Gastautor 29. Juni 2020

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