Entscheidung: Zuschuss für ein Hörgerät bei leicht verbessertem Sprachverstehen: Falls mit einem Hörgerät ein um fünf Prozent verbessertes Sprachverständnis gegenüber kostenfreien Geräten erreicht wird, könnte die gesetzliche Krankenversicherung zur Übernahme der Kosten verpflichtet sein.
Urteil des Landessozialgerichts zur Übernahme von Hilfsmittelkosten
Ein im Alltag feststellbares, verbessertes Sprachverständnis, insbesondere in lärmender Umgebung, stellt einen „erheblichen Gebrauchsvorteil“ dar. Daraufhin müsse die Krankenkasse die Kosten für das medizinische Hilfsmittel übernehmen, urteilte das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg in einem Urteil vom 22. Februar 2024, das kürzlich veröffentlicht wurde (Aktenzeichen: L 14 KR 129/22). Die Richter in Potsdam ließen jedoch eine Revision beim Bundessozialgericht in Kassel zu.
Die schwerhörige Antragstellerin hatte bei ihrer Krankenkasse einen Antrag auf Übernahme der Kosten für das Hörsystem „KINDuro 3410“ zum Preis von 3.320 Euro gestellt.
Die Testung des Hörgeräts ergab, dass die Antragstellerin mit diesem beidseitigen Hörgerät im Vergleich zu den kostenfreien Geräten ein um fünf Prozent und bei Störschall um 2,5 Prozent verbessertes Sprachverstehen erreicht.
Krankenkasse: Kostenfreie Geräte sind ausreichend
Die Krankenversicherung wies den Antrag auf das teurere Hörsystem zurück. Sie argumentierte, die kostenfreien Geräte seien ausreichend und verwies auf einen Festbetrag von 1.483 Euro. Falls die Antragstellerin das bevorzugte Hörgerät dennoch nutzen möchte, müsste sie den Differenzbetrag von 1.816 Euro selbst zahlen. Die geringfügige Verbesserung im Sprachverstehen, die innerhalb der Messtoleranzen des normierten Freiburger Sprachtests liege, rechtfertige laut Krankenkasse keinen „erheblichen Gebrauchsvorteil“.
LSG: Ziel ist ein umfassender Ausgleich der Behinderung
Das LSG vertrat eine andere Auffassung und verpflichtete die Krankenkasse, den gesamten Betrag zu übernehmen. Krankenkassen seien grundsätzlich dazu verpflichtet, eine Behinderung – in diesem Fall die Hörbeeinträchtigung – möglichst umfassend auszugleichen. Dies schließe den Einsatz aktuellster medizinischer und technischer Möglichkeiten ein, um ein optimales Hörvermögen auch in großen Räumen und bei Umgebungslärm zu gewährleisten.
Der Anspruch auf ein Hilfsmittel sei nicht ausschließlich auf eine grundlegende Versorgung beschränkt. Das Hilfsmittel müsse angemessen, zweckmäßig und kosteneffektiv sein und das Notwendige nicht übersteigen.
Ein deutlich verbessertes Sprachverständnis legitimiert den Anspruch auf Versorgung
Diese Bedingungen erfüllt die Krankenkasse normalerweise mit der Zahlung des Festbetrags. Bietet jedoch ein über den Festbetrag hinausgehendes Hörgerät einen signifikanten Gebrauchsvorteil im Alltag, kann die Krankenkasse auch hierfür leistungspflichtig sein. Komfortfunktionen oder ein subjektiv verbessertes Hörerlebnis allein begründen allerdings keinen Versorgungsanspruch.
Ein „erheblicher Gebrauchsvorteil“ liegt bereits vor, wenn ein um fünf Prozent verbessertes Sprachverstehen nachweisbar ist. Es wäre willkürlich, das getestete Hörgerät aufgrund geringfügiger Messungenauigkeiten mit kostenfreien Geräten gleichzusetzen. Vielmehr könnte das gemessene Sprachverstehen mit dem präferierten Gerät tatsächlich höher ausfallen.
- gericht: Peter Wilhelm ki
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