Hörakustikerin zockt hochbetagte Kundin ab.
Geistig rege und doch hereingefallen
Mechthild B. ist 87 Jahre alt. Die Seniorin ist gut zu Fuß, resolut und geistig rege. Dennoch ist der alten Dame etwas passiert, mit dem sie nicht gerechnet hat.
Als die Rentnerin vor einiger Zeit vom HNO-Arzt die Diagnose Schwerhörigkeit bekam, suchte sie einen Hörakustiker in ihrer Stadt auf. Diesen wählte sie ganz pragmatisch danach aus, dass er gut mit der Straßenbahn zu erreichen war.
Abzock-Trick mit den häßlichen Kassengeräten
Der Inhaber des Hörgerätefachgeschäfts bot ihr zwei große, hautfarbene zuzahlungsfreie Hörgeräte an, an denen ebenfalls große krallenförmige Otoplastiken montiert waren. Die Alternative zu diesen häßlichen Hörgeräten seien nur zuzahlungspflichtige Hörgeräte eines namhaften Herstellers. Hierfür sollte sie über 2.000 Euro zuzahlen.
Lüge: Kassenhörgeräte schädigen das Gehirn
Eigentlich wollte Mechthild B. keine große Ausgabe tätigen.
„Ich bin fast 90 Jahre alt. Da kann mich jederzeit der ‚Zappenduster-Mann‘ holen, und was sollen meine Erben mit Hörgeräten, da spare ich das Geld lieber“, hatte sie zum Hörakustiker gesagt, wie sie uns jetzt berichtet.
Doch der Hörakustiker warnte sie vor Demenz und Gehirnschäden, die durch die Kassenhörgeräte angeblich verursacht würden. Das hat Frau B. verunsichert und schließlich akzeptierte sie die teureren Kaufgeräte.
Keine ordentliche Hörgeräteanpassung
Die Anpassung der Hörgeräte erfolgte aufgrund des Audiogramms des HNO-Arztes, an weitere Messungen und Hörtests beim Hörakustiker kann sich Frau B. nicht erinnern: „Nein, nachdem ich zugestimmt hatte, ging alles sehr schnell. Da wollte der mich ruckzuck aus seinem Laden haben. Die Rechnung hat er mir gleich mitgegeben.“
Leider war Mechthild B. mit dem Hörergebnis nicht zufrieden. Besonders, wenn sie Besuch hatte, konnte sie kaum etwas verstehen. Dabei hatte der Hörakustiker besonders herausgestellt, dass diese hochwertigen Hörgeräte hierfür ausdrücklich geeignet seien.
Es kam, wie es leider so oft kommt, die teuren Hörgeräte blieben die meiste Zeit in der Schublade.
Anderer Hörakustiker deckt möglichen Betrug auf
Als das Hörvermögen der Seniorin weiter abnahm, suchte sie Hilfe bei Hörgeräte-Info.Net. „Jetzt hab ich die teuren Dinger und will doch auch damit was hören.“
Ich empfahl ihr einen guten Hörakustiker. Der aber verständigte mich und wies mich darauf hin, dass er die Hörgeräte nicht einstellen könne, diese seien mit einem Passwort gesperrt. Außerdem handele es sich um Demo-Hörgeräte.
Das sind Demo-Hörgeräte
Demo-Hörgeräte werden den Hörakustikern von den Hörgeräteherstellern kostenlos als Warenproben zur Verfügung gestellt.
Mit diesen Reklamegeräten können Kunden dann die Hörgeräte unverbindlich und kostenlos diese Hörgeräte ausprobieren. Nicht alle Testgeräte sind solche Demo-Hörgeräte. Aber diese Demo-Geräte werden unter Umständen von Dutzenden Kunden ausprobiert.
Selbstverständlich muss jeder Hörgerätekunde beim endgültigen Kauf nigelnagelneue Hörgeräte bekommen. Die Demo-Geräte gibt man dann dem Akustiker zurück, der sie reinigt und wieder anderen Leuten zum Ausprobieren geben kann.
Demo-Hörgeräte dürfen nicht in den Handel geraten. Die Hörgerätehersteller kennzeichnen sie deutlich mit der Aufschrift DEMO oder auch TRIAL (engl. Ausprobieren). Die Hörakustiker bekommen sie kostenlos, ein Verkauf ist nicht vorgesehen.
Oft sind diese Hörgeräte auch mit einer Funktion versehen, die nach einigen Wochen einen störenden Ton abspielt, falls Kunden einmal „vergessen“ die Hörgeräte wieder zurückzugeben. Diese Funktion kann aber abgeschaltet werden.
Ist das Betrug?
Der ursprüngliche Hörakustiker von Frau B. hatte ihr also für einen hohen Rechnungsbetrag vermutlich bereits mehrfach gebrauchte Probierhörgeräte verkauft.
Das ist in meinen Augen klarer Betrug.
Damit konfrontiert, redet er sich jetzt heraus, es handele sich lediglich um einen Irrtum. Er habe sich schon gewundert, weshalb er ein Paar richtige Hörgeräte zu viel im Lagerbestand habe… Frau B. könne jederzeit vorbeikommen und sich die richtigen Hörgeräte abholen.
Es wird schwer sein, ihm vorsätzliches Handeln nachzuweisen. Aber darum muss sich jetzt die Staatsanwaltschaft kümmern, denn neben einer Meldung an die Berufsinnung, die Handwerkskammer und die Krankenkasse hat Frau B. auch Anzeige erstattet.
- demo-betrug: Peter Wilhelm
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