Bekommt eine schwerhörige Person einen Behindertenausweis? Was ist eigentlich der GdB? Wie viele Prozente bekomme ich? Ist man mit einer Schwerhörigkeit schwerbehindert?
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Behindertenausweis Schwerhörig Schwerbehinderung
Die Definition für eine Schwerbehinderung ist die Auswirkung einer körperlichen Funktionsbeeinträchtigung, wenn diese Beeinträchtigung auf einem von der allgemeinen Norm abweichenden körperlichen, geistigen oder auch seelischen Zustand beruht und länger als ein 6 Monate besteht.
Wer also lediglich für einige Wochen an Krücken gehen muss oder nur für ein Vierteljahr auf einen Rollstuhl angewiesen ist, ist natürlich vorübergehend in seinem Alltag beeinträchtigt, gilt aber nicht als Schwerbehinderter.
Behindertenausweis Schwerbehindert – Grad der Behinderung – GdB
Behinderte Personen erhalten einen Behindertenausweis (Schwerbehindertenausweis), der vom regional zuständigen Versorgungsamt ausgestellt wird.
Bei der Bearbeitung lassen sich die Behörden regelmäßig viel Zeit. Sie sollten mit einer Bearbeitungszeit von etwa 3 Monaten rechnen.
Sie können den Antrag etwas beschleunigen, indem Sie den Hausarzt um Mithilfe beim Ausfüllen bitten. Reichen Sie alle vorliegenden ärztlichen Befunde und Berichte mit ein.
Achtung: Der landläufig verwendete Begriff „Behinderten-Prozente“ ist falsch. Die Versorgungsämter legen nicht fest, mit wieviel Prozent ein Mensch behindert ist. Stattdessen wird der Grad der Behinderung in 10er Schritten (Grad der Behinderung = GdB) angegeben. Ab dem Grad der Behinderung (GdB) von 50 wird von einer wirklichen Schwerbehinderung gesprochen.
Dabei bezieht sich die Behörde, also das Versorgungsamt, auf amtliche Tabellen zur Bewertung Ihres Hörverlusts. Bei einer beidseitigen mittelgradigen Schwerhörigkeit, das heißt bei einem Hörverlust ohne Hörhilfen zwischen 40-60, erhalten Sie wahrscheinlich einen GdB von 30.
Das ist aber keine feste Regel, denn es werden noch weitere Kriterien berücksichtigt: In welchem Alter ist die Hörbeeinträchtigung aufgetreten (seit der Geburt, vor dem 7. Lebensjahr oder vor dem 18. Lebensjahr)? Wichtig ist auch, inwieweit die Sprachentwicklung beeinträchtigt ist? Außerdem: Ist eine Hörgeräteversorgung möglich? Ist sich der Antragsteller derzeit in der Aus- oder Weiterbildung? Und natürlich spielen auch die seelische Belastung und psychische Probleme eine Rolle.
Behindertenausweis Widerspruch
Falls Sie den Bescheid erhalten haben, können Sie binnen 4 Wochen Widerspruch eingelegen.
Sie können, müssen aber nicht eine Begründung angeben. Sie können alternativ dazu auch später einen Änderungsantrag oder eine Neufeststellung beantragen.
Den Widerspruch richten Sie an die ablehnende oder falsch bewertende Behörde (i.d.R. das Versorgungsamt). Weisen Sie im Widerspruchsschreiben deutlich darauf hin, dass Sie sonst eine Klage einreichen werden. Wichtig in diesem Zusammenhang: Klagen vor den Sozialgerichten sind für Sie i.d.R. kostenfrei.
Erscheint Ihnen die Einstufung der Schwerbehinderung (GdB) zu gering, weil z.B. die Beeinträchtigungen für Ihren Alltag falsch eingeschätzt wurden, oder werden erwartete Merkzeichen nicht anerkannt, sollten Sie zunächst schriftlich fristgerecht Widerspruch einlegen. Das machen Sie am besten zunächst ohne Begründung mit dem Hinweis, dass die Begründung folgen wird und mit der Bitte um Zusendung der für die Einstufung zugrunde gelegten Befundberichte in Kopie.
Weitere Merkmale im Behindertenausweis
Für Sie als Hörgbehinderten können die folgenden Merkmale auf dem Behindertenausweis eingetragen werden:
B
Mit dem besonderen Merkmal B wird nachgewiesen, dass Sie die Berechtigung haben eine Begleitperson in öffentlichen Verkehrsmitteln mitzunehmen. Voraussetzung dafür ist außerdem, dass Ihr Grad der Schwerbehinderung größer als 40 ist und Ihnen gleichzeitig das Merkzeichen G oder H zusteht.
H
Als hilflos eingestufte Personen erhalten das Merkzeichen H. Für Kindern gelten besondere Kriterien.
RF
Das Merkzeichen RF – Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht – erhalten Sie als Hörgeschädigter mit einem GdB von mindestens 50 wegen Ihrer Hörschwerbehinderung.
Gl
Sind Sie gehörlos, erhalten Sie das Merkzeichen Gl.
Als gehörlos gelten auch Hörbehinderte mit einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beiderseits, wenn außerdem schwere Sprachstörungen (schwer verständliche Lautsprache, geringer Sprachschatz) vorliegen.
Das sind natürlich normalerweise Hörbehinderte, bei denen diese Beeinträchtigung des Hörvermögens angeboren war oder in der Kindheit erworben worden ist.
Die Merkmale im Behindertenausweis können zu folgenden Begünstigungen berechtigen:
Verwendung von Gebärdensprache bei Behörden
Mit dem Merkmal Gl im Behindertenausweis haben schwerbehinderte hör- oder sprachbehinderte Menschen das Recht, sich bei Behörden eines Gebärdendolmetschers oder einer anderen Kommunikationshilfe zu bedienen, wenn das zur Verständigung erforderlich ist.
Das ist besonders dann der Fall, wenn eine schriftliche Verständigung nicht ausreicht.
Die Kosten dafür trägt stets die Behörde.
Es ist aber ratsam, dass Sie, wenn Sie eine Behörde aufsuchen und sich dort über einen Gebärdendolmetscher oder eine anderen Kommunikationshilfe verständigen wollen, die Behörde bitte rechtzeitig vorher zu informieren.
Freifahrt für schwerbehinderte Menschen im Nahverkehr
Menschen, die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind (Merkzeichen: G und aG auf dem Behindertenausweis), erhalten im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) „Freifahrt“. Außerdem erhalten Menschen, die hilflos, blind oder gehörlos sind, die Berechtigung zur „Freifahrt“ (Zeichen: H, Gl, Bl). Die Regelung gibt es ab dem 01.09.2011 bundesweit und ist nicht mehr auf 50 km Umkreis beschränkt.
Voraussetzung für die „Freifahrt“ im Nahverkehr ist allerdings neben der Feststellung der Schwerbehinderung durch das Versorgungsamt, ein mit einer Wertmarke versehenes Beiblatt zum Schwerbehindertenausweis. Diese Wertmarke erwerben Sie beim zuständigen Versorgungsamt. Sie gilt für sechs oder zwölf Monate.
Menschen, deren Schwerbehindertenausweis mit den Merk-Zeichen „G“ oder „aG“ versehen ist, bezahlen für die Wertmarke 60 € pro Jahr (oder 30 € pro Halbjahr).
Danach haben sie für die aufgedruckte Gültigkeitsdauer Freifahrtberechtigung bei allen Straßenbahnen, S-Bahnen, Omniussen und in allen Verkehrsverbünden in ganz Deutschland sowie in den Zügen des Nahverkehrs der Deutschen Bahn AG.
Schwerbehinderte Menschen mit dem Eintrag Bl oder HE erhalten eine kostenlose Wertmarke auf Antrag. Unentgeltlich ist die Wertmarke auch, wenn der Betroffene Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende), laufenden Leistungen für den Lebensunterhalt (auch bei Unterbringung in einem Heim, einer Anstalt oder Behinderteneinrichtung u. ä.) nach dem SGB VIII (Kinder– und Jugendhilfe) und nach dem SGB XII (Sozialhilfe) sowie den §§ 27a oder 27d Bundesversorgungsgesetz (BVG) erhält.
Freifahrt für Begleitpersonen im öffentlichen Nah- und Fernverkehr
Falls Sie die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson durch den Eintrag des Kennzeichens B im Behindertenausweis genehmigt bekommen haben, wird auch die Begleitperson unentgeltlich befördert. Das gilt auch dann, wenn der schwerbehinderte Mensch keine Wertmarke beantragt hat und deshalb selbst nicht freifahrtberechtigt ist. Dies gilt übrigens auch im Fernverkehr, wenn die schwerbehinderte Person selbst keinen Anspruch auf eine unentgeltliche Beförderung hat.
Kfz Steuerermäßigung bzw. -befreiung bei Schwerhörigkeit und Schwerbehinderung
Personen mit einer Schwerbehinderung und mit den Merk-Zeichen G oder GL erhalten eine Kfz Steuerermäßigung von 50%, wenn sie nicht die unentgeltliche Beförderung im Personennahverkehr in Anspruch nehmen (Wertmarke). (Entweder oder.)
Personen mit dem Zeichen H können zusätzlich zur unentgeltlichen Beförderung eine Kfz Steuerbefreiung beantragen. (Beides zusammen.)
Wichtig: Zur Ermäßigung oder Befreiung der Kfz Steuer muss das Auto auf die schwerhörige (gehörlose/gehörgeschädigte) Person angemeldet sein und für dessen Bedürfnisse genutzt werden.
Steuerfreibeträge:
Schwerbehinderte schwerhörige Personen mit einem GdB ab 50 (oder deren Eltern) erhalten wegen außergewöhnlicher Belastung einen Pauschsteuerfreibetrag, teilweise auch ab GdB 25, dessen Höhe sich nach dem GdB richtet. Personen mit dem Merkzeichen H erhalten einen erhöhten Steuerfreibetrag.
Achtung: wurde die Behinderteneinstufung rückwirkend anerkannt, wird auch der Pauschbetrag noch rückwirkend erstattet (formloser Antrag beim Finanzamt genügt). Als schwerbehindert gilt man im Grunde, wenn man einen GdB von wenigstens 50 und einen Behindertenausweis hat, so ist die Außenwirkung.
Bilder:
Titel: schwerbehindert, Behindertenausweis Bund
Piktogramme: Bild von Clément Theriez auf Pixabay
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