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Warum Hörgeräte nicht ausreichen – Lebensqualität im Alter mehr braucht als Technik

brasil16

Moderne, digitale Hörgeräte sind so leistungsfähig wie nie zuvor. Bei einer Schwerhörigkeit gibt es nichts, das einem Betroffenen besser helfen könnte. Seit Jahren plädiere ich dafür, dass die Menschen Hörtests machen lassen und sich bei Bedarf auch mit Hörgeräten anfreunden.

Es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass Hörgeräte das Leben der Schwerhörigen verbessern. Aber viele Menschen gehen davon aus, dass ein gut angepasstes Hörgerät im Alter automatisch zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität führt. Schließlich ermöglicht besseres Hören die Teilnahme am sozialen Leben, reduziert Missverständnisse und soll Isolation vorbeugen. Aber das ist nur die halbe Wahrheit, wie ich es vielen Ratsuchenden immer wieder erkläre. Die Hörgeräte verbessern das Hören und das Sprachverstehen und bieten die Basis für eine deutliche Lebensverbesserung. Doch können es nicht die Hörgeräte allein sein, die zu dieser Verbesserung führen.

Eine aktuelle US-amerikanische Studie zeigt, dass das genau so ist, wie ich es immer sage:

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Forscherinnen und Forscher rund um Huang et al. (2024) haben in einer groß angelegten Untersuchung mit 977 älteren Menschen zwischen 70 und 84 Jahren analysiert, welchen Einfluss eine umfassende Hörintervention auf die Lebensqualität hat. Dabei erhielt die Hälfte der Teilnehmenden Hörgeräte und zusätzliche technische Hilfsmittel – wie TV-Adapter oder Telefonverstärker – sowie eine persönliche Beratung. Die Kontrollgruppe wurde zu allgemeinen Gesundheitsthemen beraten, erhielt aber keine spezifische Hörversorgung. Über einen Zeitraum von drei Jahren wurde die Entwicklung beider Gruppen beobachtet.

Ernüchterndes Ergebnis: Keine signifikante Veränderung der Lebensqualität

Die Studienergebnisse überraschen: Weder in der mentalen noch in der physischen Lebensqualität ergab sich ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen. Das bedeutet, dass das bessere Hören allein offenbar nicht automatisch zu einem spürbar besseren Lebensgefühl führt. Zwar zeigte sich, dass Menschen mit Hörgeräten im Bereich der sozialen Funktionsfähigkeit etwas stabiler blieben und weniger unter Erschöpfung (Fatigue) litten – doch diese Effekte waren eher schwach ausgeprägt.

Was bedeutet das für den Alltag älterer Menschen?

Die Ergebnisse werfen ein wichtiges Licht auf die Realität vieler älterer Menschen mit Hörverlust. Denn ein Hörgerät allein stellt nicht automatisch den Kontakt zur Außenwelt oder zur eigenen inneren Balance wieder her. Viele Betroffene müssen erst wieder lernen, wie sie mit ihrer neuen akustischen Welt umgehen. Das braucht Zeit, Geduld – und Unterstützung.

Gerade bei langjähriger Schwerhörigkeit haben sich oft Rückzugstendenzen, Unsicherheit im Gespräch oder sogar depressive Verstimmungen eingestellt. Diese lassen sich durch Technik allein nicht auflösen. Auch die Gewöhnung an die neue Hörerfahrung kann anstrengend sein: Geräusche wirken fremd oder zu laut, Gespräche bleiben trotz Technik schwer verständlich, besonders in geräuschvoller Umgebung.

Technik plus Mensch: Ein Plädoyer für ganzheitliche Versorgung

Die Autorengruppe der Studie schlägt vor, ergänzende Strategien einzusetzen, um die Lebensqualität gezielter zu verbessern. Dazu gehören etwa psychosoziale Begleitung, gezieltes Hörtraining oder Gruppentreffen mit anderen Hörgeräteträgern. Auch Angehörige sollten einbezogen werden, denn sie spielen eine entscheidende Rolle dabei, wie gut Betroffene mit ihrer neuen Hörsituation zurechtkommen.

Ein gut funktionierendes Hörgerät ist also nicht überflüssig – im Gegenteil: Es ist eine wertvolle Basis. Doch um im Alter wirklich Lebensqualität zu sichern, braucht es mehr. Es braucht Begegnung, Geduld, Verständnis und manchmal auch therapeutische Begleitung.

Fazit

Die Ergebnisse der Studie erinnern uns daran, dass Technik allein nicht ausreicht. Die Lebensqualität von älteren Menschen mit Schwerhörigkeit hängt von vielen Faktoren ab: sozialen Kontakten, Selbstvertrauen, geistiger Aktivität und individueller Unterstützung. Hörgeräte sind wichtig – aber sie sind nur ein Baustein von vielen.

Quelle:
Huang AR et al. JAMA Netw Open 2024; 7: e2446591; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2024.46591
https://www.medical-tribune.de/medizin-und-forschung/artikel/lebensqualitaet-im-alter-bleibt-unbeeinflusst

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Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 23. März 2025

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