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Stille Not: NRW und das stagnierende Gehörlosengeld seit 25 Jahren

Gehörlosengeld

Ein leises Rauschen begleitet die Diskussion um das Gehörlosengeld in Nordrhein-Westfalen. Seit der Einführung im Jahr 1998 erhalten Gehörlose monatlich 77 Euro als finanzielle Unterstützung. Dieser Betrag hat seit nunmehr 25 Jahren keine Veränderung erfahren, und die Diskussion darüber, warum dies so ist und ob eine Erhöhung in Aussicht steht, beschäftigt aktuell den Fachausschuss.

Gehörlose Menschen stehen vor besonderen Herausforderungen im Alltag, die von Gebärdendolmetschern bis zu speziellen Bildungseinrichtungen reichen. Um diesen Mehraufwand zu kompensieren, wurde vor einem Vierteljahrhundert das Gehörlosengeld eingeführt. Doch seitdem hat sich der Betrag nicht verändert, trotz steigender Lebenshaltungskosten und gestiegener Preise für notwendige Dienstleistungen.

Im Jahr 2022 bezogen knapp 13.000 Menschen dieses Gehörlosengeld in NRW, und die Gesamtkosten betrugen knapp zwölf Millionen Euro. Die Tatsache, dass dieser Betrag seit einem Vierteljahrhundert konstant geblieben ist, wirft nicht nur Fragen zur Inflationsanpassung auf, sondern auch darüber, ob die Unterstützung den tatsächlichen Bedürfnissen der Gehörlosen gerecht wird.

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Der Koalitionsvertrag zwischen CDU und Grünen versprach eine Ausweitung der Berechtigten für das Gehörlosengeld. Doch die Realität sieht anders aus. Eine gesetzgeberische Initiative zur Ausweitung oder zur Erhöhung des Gehörlosengeldes ist laut dem Gesundheits- und Sozialministerium derzeit nicht geplant. In der Debatte im Fachausschuss verwiesen die regierungstragenden Fraktionen CDU und Grüne auf die angespannte Haushaltslage als Grund für die fehlende Initiative.

Dennis Sonne von den Grünen argumentiert, dass eine Erhöhung des Gehörlosengeldes durchaus berechtigt sei. Er verdeutlicht, dass das Streichen der Altersgrenze von 18 Jahren zu Mehrausgaben von zwei Millionen Euro pro Jahr führen würde. Ähnlich argumentiert die Opposition, bestehend aus SPD, FDP und AfD, die nicht nur eine Ausweitung der Berechtigten, sondern auch eine Erhöhung des monatlichen Beitrags fordern. Der SPD-Abgeordnete Josef Neumann weist darauf hin, dass eine Stunde Gebärdendolmetschen zwischen 100 und 200 Euro koste, und solche Dienstleistungen oft bei Behördengängen notwendig seien.

Ein Blick auf andere Bundesländer zeigt, dass NRW zu den wenigen gehört, die überhaupt ein Gehörlosengeld zahlen. Doch während die meisten Länder regelmäßige Anpassungen vornehmen, ist NRW eine Ausnahme. Brandenburg zahlt beispielsweise 106,60 Euro pro Monat, Sachsen 150 Euro und Thüringen sogar 172 Euro. Einige Länder, darunter Berlin, Hessen und Sachsen-Anhalt, passen den Betrag dynamisch an die Rentenerhöhung an.

Ein kurzes Rechenbeispiel verdeutlicht, wie das Gehörlosengeld in NRW aussehen könnte, wenn es regelmäßige Anpassungen gegeben hätte. Bei einer jährlichen Anpassung um 1 Prozent würde die Summe heute bei 98,74 Euro liegen, bei 2 Prozent ergäbe sich ein Gehörlosengeld von 126,33 Euro.

Alle Fraktionen im Fachausschuss sind sich einig, dass Handlungsbedarf besteht und dass die Unterstützung für Gehörlose erhöht werden muss. CDU und Grüne versichern, das im Koalitionsvertrag festgehaltene Versprechen noch in dieser Legislaturperiode umsetzen zu wollen, vorausgesetzt, die Haushaltslage lässt es zu. Die Opposition hingegen bleibt skeptisch und fragt nach konkreten Zeitplänen, erhält jedoch keine klare Antwort.

Ein besonders trauriges Detail der Debatte ist, dass der Tagesordnungspunkt im Ausschuss von Gebärdendolmetschern begleitet wurde, was auf die Wichtigkeit der Thematik hinweist. Leider konnten Gehörlose, die dem Livestream des Landtags folgen wollten, diesen Aspekt nicht erfahren. Eine Ironie, die verdeutlicht, dass die Realität für Gehörlose oft von Barrieren und Missverständnissen geprägt ist.

In einer Zeit, in der Inklusion und Chancengleichheit zentrale Anliegen sind, bleibt das stagnierende Gehörlosengeld in NRW ein Zeugnis dafür, dass es noch immer Bereiche gibt, in denen dringender Handlungsbedarf besteht. Es bleibt zu hoffen, dass die politisch Verantwortlichen in NRW ihre Versprechen nicht nur als Lippenbekenntnis verstehen, sondern konkrete Schritte unternehmen, um die finanzielle Unterstützung für Gehörlose endlich den heutigen Anforderungen anzupassen. Denn Stille darf nicht bedeutungslos verhallen, sondern erfordert Aufmerksamkeit und Taten.

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Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Nele Sanddorn: © 19. Juli 2024

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