Echt jetzt! Ich habe als Schwerhöriger das Gefühl, dass ich bei Ohrenarzt und Hörakustiker zwischen zwei Stühlen sitze. Der Ohrenarzt lässt kein gutes Haar an den Hörakustikern. Dabei fühle ich mich bei Frau W., meiner Akustikerin, seit vielen Jahren supergut aufgenommen. Der HNO sagt, die Hörakustiker seien unseriös, weil sie zu teure Geräte verkaufen. Und er meint, die hätten grundsätzlich als Handwerker keine Ahnung von Medizin. Ich fühle mich dabei unwohl.
Es kommt oft vor, dass sich Hörakustiker und Ohrenärzte ein bißchen im Clinch liegen.
Es geht meist darum, wer letztendlich „Herr des Verfahrens“ ist. Die Ohrenärzte halten vielfach die Hörakustiker für nicht kompetent genug und bezeichnen sie, wie wir es neulich in einem ärztlichen Text lesen konnten, als „Hörapparatetechniker“. Die Hörakustiker pochen auf ihre dedizierte und hochkomplexe Ausbildung und beharren darauf, das HNO-Ärzte keine/kaum Ahnung von den Hörgeräten haben.
Dabei sind beide Berufsgruppen schon vom Verfahren her, ob sie es wollen oder nicht, eng verschweisst. Erst kommt der HNO-Arzt, der die Schwerhörigkeit diagnostiziert, andere Hörstörungen ausschließt, und der dann die Hörgeräte verordnet. Und dann kommt der Hörakustiker, der sich etwa 40 mal so viel Zeit nimmt, wie ein HNO-Arzt es kann, und passt den Menschen die Hörgeräte an.
Der Hörakustiker muss Überzeugungsarbeit leisten, psychologisches Feingefühl beweisen und hochindividuell auf die Bedürfnisse des jeweiligen Patienten eingehen.
Aus einer schier unüberschaubaren Vielzahl von Hörgeräten, Hörgerätebauformen und Leistungsstufen muss der Hörakustiker eine passende Vorauswahl für den Kunden treffen, also mithin eine Geräteempfehlung aussprechen.
Diese Empfehlung muss er dann aber auch, manchmal über Jahre, oft nur bis zum Ende der Eingewöhnungszeit und der Anfangsschwierigkeiten, verteidigen.
Die Rolle des HNO-Arztes ist eine entscheidende, wenn es um die Versorgung mit Hörgeräten geht.
Aber die Rolle des Hörakustikers ist unserer Meinung nach erheblicher und bedeutender. Denn nach der Verordnung von Hörgeräten ist der HNO-Arzt weitestgehend aussen vor.
Ganz vereinfacht gesagt, kann der HNO-Arzt dann auch nichts mehr machen. Abgesehen von eventuell vorliegenden anderen medizinischen Befunden, die nichts mit der herkömmlichen Altersschwerhörigkeit zu tun haben, kann er keine Behandlung gegen Schwerhörigkeit anbieten.
Deshalb beschränkt sich sein Teil an der Hörgeräteversorgung oft auf ein ganz kurzes Gespräch (nach den Hörtests und der Ohrenuntersuchung) und die Aushändigung der Verordnung.
Ab dann ist der Patient kein Patient mehr, sondern Kunde eines Hörakustikers. Und der hat dann oft 20 Jahre und länger mit diesem Kunden zu tun.
Klar, Hörakustiker sind keine Mediziner. Es ist richtig, dass sie Handwerker sind. Aber sie üben ihren Beruf an der Schwelle zwischen Medizin und medizinischer Dienstleistung aus.
Der handwerkliche Teil ist bei ganz vielen Hörakustikern nur noch sehr gering. Sie beziehen vieles über spezialisierte Zulieferer und sind, ähnlich wie Apotheker, die auch nicht mehr viele Rezepturen selbst mischen, eher Berater, Psychologe und Entscheidungshelfer.
Es besteht also überhaupt kein Grund, miteinander im Clinch zu liegen. Der Ohrenarzt übernimmt den medizinischen Teil und wird immer dann tätig, wenn der Patient durch ihn eine Behandlung erfahren kann.
Ist das nicht möglich, etwa bei der Schwerhörigkeit, dann gibt er die Patienten in die verantwortungsvollen Hände des Hörakustikers ab.
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Schlagwörter: Öhrenärzte gegen Hörakustiker