Immer wieder erreichen uns Fragen von Leserinnen und Lesern, die sich mitten in einer Neuversorgung befinden und unsicher sind, ob sich der Schritt zu einem höherwertigen Hörsystem wirklich lohnt.
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- Leserfrage
- Phonak Marvel: Auslaufmodell mit guter Vergangenheit – aber nicht mehr aktuell
- Aktuelle Nachfolger: Phonak Lumity und Phonak Infino
- Phonak Marvel Ehrenrettung
- Klang und Natürlichkeit: Mehr Technik heißt nicht automatisch „künstlicher“
- Testen, testen, testen: Alltagserfahrungen sind entscheidend
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Phonak Marvel: Auslaufmodell mit guter Vergangenheit – aber nicht mehr aktuell
Die Phonak-Marvel-Reihe war bei ihrem Erscheinen im Jahr 2018 ein moderner und leistungsfähiger Standard, insbesondere was Bluetooth-Streaming und Alltagstauglichkeit betrifft. Inzwischen sind diese Hörgeräte aber aus dem aktuellen Sortiment verschwunden. Zum Ende des vergangenen Jahres wurden Marvel-Neugeräte durch neue Produktlinien abgelöst und werden in der Regel nicht mehr als frische Versorgung angeboten.
Das bedeutet: Wenn eine neue Versorgung ansteht, lohnt es sich kaum, gedanklich an Marvel-Klassen wie 30, 70 oder 90 festzuhalten. Die Technik ist einige Jahre alt, und die Hersteller haben die Entwicklungen längst in neuere Plattformen übertragen und weiter optimiert.
Aktuelle Nachfolger: Phonak Lumity und Phonak Infino
Statt auf ältere Marvel-Modelle zu zielen, empfiehlt es sich, einen Blick auf die aktuellen Nachfolger zu werfen. Bei Phonak sind dies vor allem die Produktlinien Lumity und Infino. Sie basieren auf moderneren Signalprozessoren und bieten in vielen praxisrelevanten Situationen Vorteile gegenüber der alten Marvel-Technologie:
- verbesserte Sprachfokussierung in geräuschvoller Umgebung, etwa im Büro oder bei Meetings
- schnellere und feinere automatische Anpassung an wechselnde Hörsituationen
- deutlich weiterentwickelte Störlärm-Reduktion und Richtmikrofon-Technik
- stabilere und komfortablere Bluetooth-Verbindungen für Telefonie und Streaming
- in vielen Fällen ein entspannteres, weniger anstrengendes Hören über den Tag
Zwischen einem Marvel-30-Gerät von 2018 und einem aktuellen Modell aus dem heutigen Portfolio liegen mehrere Technologiegenerationen. Selbst in der sogenannten „Basis- oder Kassenversorgung“ können heute Hörsysteme angeboten werden, die dem früheren Marvel 30 in vielen Situationen deutlich überlegen sind – ganz ohne zusätzliche Aufzahlung, abhängig von Krankenkasse, Region und den Vereinbarungen des jeweiligen Akustikbetriebs.
Phonak Marvel Ehrenrettung
Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Das Phonak Marvel ist eines der hervorragendsten Hörgeräte, die man für Geld überhaupt bekommen kann. Wenn jemand zu mir käme und sagt, er habe solche Hörgeräte geerbt oder geschenkt bekommen, würde ich ihm zuraten, auf jeden Fall einen Versuch damit zu starten. Die Geräte sich echt gut.
Allerdings bleibt die Entwicklung nicht stehen und es kommt immer was Neueres und Besseres heraus. Bei einer Neuversorgung gilt: Die Marvel sind veraltet.
Klang und Natürlichkeit: Mehr Technik heißt nicht automatisch „künstlicher“
Die Sorge, dass höhere Leistungsklassen mit mehr Kanälen und komplexeren Algorithmen zwangsläufig unnatürlich klingen, ist verständlich, entspricht aber nicht unbedingt der Praxis. Moderne Premiumgeräte versuchen gerade, Klang natürlicher und weniger anstrengend zu machen, indem sie Sprache klar hervorheben und Störgeräusche besser sortieren, ohne alles „plattzubügeln“.
Ob sich das so anfühlt, hängt allerdings stark vom individuellen Hörprofil, von Erwartungen und von der Feinanpassung durch den Hörakustiker ab. Manche Menschen empfinden den Unterschied zwischen Mittelklasse und Premium als deutlich, andere als moderat. Genau deshalb ist eine ausgiebige Testphase so wichtig.
Testen, testen, testen: Alltagserfahrungen sind entscheidend
Grundsätzlich gilt: Niemand kann im Voraus sicher sagen, ob ein bestimmtes Modell oder eine bestimmte Leistungsklasse im Alltag tatsächlich einen spürbaren Vorteil bringt – das lässt sich nur im praktischen Einsatz herausfinden. Der große Vorteil: Hörakustiker stellen in der Regel mehrere unterschiedliche Hörsysteme unverbindlich und kostenfrei zum Testen zur Verfügung.
Unsere Empfehlung:
- Lassen Sie sich mindestens ein aktuelles Hörsystem aus der „Standardversorgung“ und ein bis zwei höherwertige Varianten anpassen.
- Testen Sie jedes System über mehrere Tage bis Wochen in typischen Situationen: Gespräche zu Hause, Telefonate, Gespräche mit mehreren Personen, öffentliche Räume, Straßenverkehr, eventuell auch Beratungssituationen und Bewerbungsgespräche.
- Führen Sie ein kleines Hörtagebuch: Wann war das Verstehen besonders gut, wann anstrengend, wann störend?
- Lassen Sie die Rückmeldungen beim Akustiker in die Feinanpassung einfließen, bevor Sie sich endgültig entscheiden.
Wichtig ist auch: Sie müssen sich nicht auf eine einzige Marke festlegen. Es lohnt sich, neben Phonak auch in Systeme anderer Hersteller „hineinzuhören“. Jeder Anbieter setzt andere Schwerpunkte in der Signalverarbeitung, und das Ergebnis kann sich subjektiv sehr unterschiedlich anfühlen.
Mehrkostenübernahme: Chancen und Grenzen der beruflichen Teilhabe
Die Frage nach einer möglichen Kostenübernahme für höherwertige Hörsysteme durch die Agentur für Arbeit oder die Rentenversicherung fällt in den Bereich „Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“ (LTA). Grundgedanke dieser Leistungen ist, die berufliche Eingliederung oder Wiedereingliederung zu unterstützen.
Damit ein Kostenträger Mehrkosten über die reine medizinische Versorgung hinaus übernimmt, muss nachgewiesen werden, dass Sie für Ihre konkrete berufliche Tätigkeit ein höherwertiges Hörsystem benötigen, das über das hinausgeht, was die Krankenkasse als ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ansieht.
Typische Beispiele für einen gut begründbaren Mehrbedarf sind Tätigkeiten, bei denen exaktes Hören besondere Sicherheits- oder Qualitätsanforderungen erfüllt, zum Beispiel:
- Klavierstimmung oder andere hochsensible Musikberufe
- Industriekletterei mit sicherheitsrelevanter Kommunikation
- Leitung eines Orchesters oder Ensembles
In der Situation, die Sie schildern, ist das schwieriger: Sie sind derzeit arbeitssuchend und können keine ganz konkrete, aktuelle berufliche Höranforderung mit dokumentierten Bedingungen vorlegen. Die Ausbildung zum Versicherungskaufmann bedeutet zwar, dass Kommunikation wichtig ist, aber für sich genommen reicht dieser Hinweis meist nicht aus, um eine Mehrkostenübernahme für eine besonders hochwertige Ausstattung zu erzwingen.
Das heißt nicht, dass es unmöglich ist – aber die Hürden sind hoch. In vielen Fällen wird der Kostenträger argumentieren, dass moderne Hörsysteme im Rahmen der Regelleistung der Krankenkasse eine ausreichende Grundlage für berufliche Tätigkeiten im Büro-, Verwaltungs- oder Beratungsbereich bieten.
Aber auf jeden Fall sollten Sie zunächst mal keine Verzichts- oder Mehrkostenerklärung unterschreiben, sondern sich alles offenhalten. Beachten Sie auch den Hinweis am Ende dieses Artikels.
Dass Sie in einem Internetforum hierzu falsche Informationen bekommen haben, ist verständlich. Es zeigt, dass viele Betroffene nur auf dem Wege der „Normalversorgung“ mit der Materie befasst sind und sich mit weiteren Themen nicht auskennen. Leider antworten in manchen Foren auch Kinder, Ahnungslose und Leute, die nur auf Sternchen oder Belohnungen für besonders viele Antworten aus sind.
Was Sie konkret tun können
- Nutzen Sie die aktuelle Versorgungssituation voll aus und testen Sie konsequent moderne Hörsysteme, auch ohne Aufzahlung.
- Wenn Sie das Gefühl haben, dass ein bestimmtes Premiumgerät einen ganz klaren, nachvollziehbaren Vorteil bringt (zum Beispiel deutlich besseres Verstehen in Besprechungen, weniger Hörermüdung, mehr Sicherheit in der Kommunikation), besprechen Sie dies mit Ihrem Hörakustiker.
- Dokumentieren Sie möglichst genau, in welchen Situationen welches Hörsystem wie abgeschnitten hat – das hilft sowohl bei der Argumentation gegenüber Kostenträgern als auch bei der eigenen Entscheidung.
- Falls doch ein Antrag auf Mehrkostenübernahme gestellt werden soll, lassen Sie sich von Ihrem Akustiker und gegebenenfalls vom Hörtherapeuten oder HNO-Arzt unterstützen. Eine saubere Begründung mit Bezug auf konkrete berufliche Anforderungen ist entscheidend.
Fazit: Technik ist da – die Entscheidung liegt bei Ihnen
Zwischen Ihren bisherigen Hörgeräten aus der Marvel-30-Reihe und den aktuellen Nachfolgern liegen mehrere Jahre technischer Entwicklung. Allein deshalb lohnt sich ein Neuanlauf mit modernen Modellen wie Lumity oder Infino – oft bereits ohne zusätzliche Eigenbeteiligung, je nach Vertragssituation und Versorgung.
Ob ein höherwertiges Premiumsystem darüber hinaus den Mehrpreis wirklich wert ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Das hängt von Ihrem persönlichen Höralltag, Ihren beruflichen Plänen und Ihrem subjektiven Empfinden ab. Die wichtigste Botschaft lautet daher:
Testen Sie verschiedene Systeme intensiv in Ihrem Alltag, vergleichen Sie, lassen Sie sorgfältig anpassen – und entscheiden Sie erst dann.
Weder wir noch irgendein Hersteller können Ihnen garantieren, dass ein bestimmtes Modell „das beste“ für Sie ist. Aber mit guten Anpassungen, ehrlicher Beratung und ausreichend Testzeit finden Sie sehr wahrscheinlich eine Lösung, die Ihren Höralltag im Büro und privat deutlich erleichtert.
Krankenkassen tragen für ihre Versicherten eine medizinisch notwendige Hörgeräteversorgung ohne Kostenbeschränkung. Aber die Kassen haben mit den Hörakustikern Verträge, nach denen die Hörakustiker zuzahlungsfreie Hörgeräte anbieten müssen, für die lediglich 10 Euro pro Hörgerät Eigenanteil gezahlt werden müssen.
Die Akustiker legen den Kunden eine Mehrkostenerklärung zum Unterschreiben vor. Damit erklärt man, dass man bewusst zuzahlungspflichtige, teurere Geräte haben möchte und die Nulltarif-Hörgeräte von der Kasse nicht will. In diesem Fall zahlt die Kasse nur einen Zuschuss von grob 750 Euro pro Hörgerät. Den Rest (oft viele tausend Euro) muss man selbst bezahlen.
Damit muss sich aber niemand zufrieden geben. Die Abwicklung wegen der Kostenübernahme ist für Nulltarifgeräte und Hörgeräte mit Zuzahlung viel einfacher und reibungsloser, aber Sie haben u.U. einen Anspruch gegen Ihre Krankenkasse (oder den Rententräger) auf teurere und leistungsfähigere Hörgeräte.
Dieser Anspruch muss medizinisch begründbar sein und vor dem Kauf bei der Kasse beantragt werden. Lehnt diese ab, kann man vor dem Sozialgericht klagen. Die Gerichte entscheiden oft für die Versicherten.
Mehr Informationen erhalten Sie beispielsweise beim Sozialverband VdK und bei den Verbraucherzentralen.
Bildquellen:
- kunde-beim-hoerakustiker_800x500: Peter Wilhelm ki
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