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Kassenhörgeräte reichen nicht aus – Urteil

Ein Symbolbild für Gerichtsurteile. Es zeigt zwei Gesetzbücher auf einem Tisch. Daneben liegt ein Richterhammer.

Kassenhörgeräte reichen manchmal nicht. Wer an einer Schwerhörigkeit leidet, wird in den meisten Fällen von seinem Hals-Nasen-Ohrenarzt Hörgeräte verordnet bekommen. Sie sind fast immer das einzige Mittel der Wahl. Moderne digitale Hörgeräte sind klein, sehr hochwertig verarbeitet und extrem leistungsfähig. Sie sind stets digital und verfügen über mehrere Kanäle und Programme.

Das gilt auch für die Geräte, die im Rahmen einer Sachleistung von der gesetzlichen Krankenkasse kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Der Hörakustiker wählt mit dem Kunden gemeinsam passende Hörgeräte aus, stellt diese individuell ein und rechnet die Kosten mit der Krankenkasse ab. Der Versicherte zahlt lediglich 10 Euro pro Gerät als Eigenanteil.

Wichtig: Diese Basisgeräte, die auch Kassenhörgeräte genannt werden, reichen für die allermeisten Patienten vollkommen aus. Sie sind nicht schlechter als viel teurere Geräte. Allerdings bieten die teureren Varianten viel mehr Einstellmöglichkeiten und einen deutlich höheren Komfort und viel mehr Funktionen. Das ist auch der Grund dafür, weshalb sich die Mehrzahl der Hörgerätekunden für teurere, also zuzahlungspflichtige Hörgeräte entscheidet.

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Wir treffen als Faustregel immer wieder diese Aussage:

Je aktiver und abwechslungsreicher das soziale Leben (Arbeit, Freizeit und Familie) des Schwerhörigen sind, umso eher sind zuzahlungspflichtige Hörgeräte besser geeignet.

Kassenhörgeräte reichen nicht: Im Extremfall können die Kassenhörgeräte auch völlig ungeeignet sein. Wenn also die beruflichen, familiären oder die in der Freizeit auftretenden Hörbedingungen von einem Basishörgerät nicht bewältigt werden können, müssen es teurere Hörgeräte sein. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Patient dann nur die Wahl zwischen „gratis“ und „extrem teuer“ hat. Zwischen den „Kassenhörgeräten“ und den Spitzenmodellen gibt es eine große Bandbreite von Hörgeräten in nahezu allen Preisklassen.

Aktuell hatte sich das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen mit Sitz in Celle mit einem solchen Fall zu beschäftigen. Ein Maurermeister leidet an einer Schallempfindungsstörung und benötigt Hörgeräte. Im Juraforum heißt es zu diesem Fall:

Kassenhörgeräte reichen nicht: Für die Ohren sind Hörgeräte zum Festpreis nicht immer gut genug

Bietet ein Hörgerät für den unmittelbaren Behinderungsausgleich gegenüber kostengünstigeren Alternativen einen „wesentlichen Gebrauchsvorteil“, können Versicherte eine Kostenerstattung auch über dem Festpreis verlangen. Das stellte das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 15. Mai 2019 klar (Az.: L 2 R 237/17). Ein „wesentlicher Gebrauchsvorteil“ kann danach etwa das deutlich bessere Hören und Sprachverstehen in großen Zimmern oder bei störenden Nebengeräuschen sein.

Der klagende Maurermeister hatte von der Rentenversicherung zwei Hörgeräte bewilligt bekommen. Hierfür sollte der Kläger 1.594 Euro erhalten.

Doch als sein Hörvermögen sich weiter verschlechterte, beantragte er bei dem Rentenversicherungsträger 2014 zwei neue Hörhilfen. Er benötige diese, um auch in großen Räumen und beim Telefonieren besser Hören und Verstehen zu können. Der Rentenversicherungsträger hielt sich nicht mehr für zuständig und leitete den Antrag des Maurermeisters an seine Krankenkasse weiter.

Die Krankenkasse bewilligte zwar die Kosten für zwei Hörgeräte in Höhe von 1.614 Euro abzüglich eines Eigenanteils von 20 Euro. Aber die über diesem Festpreis liegenden Kosten könnten nicht übernommen werden. Schließlich könne der Kläger mit diesen Basishörgeräten im Einzelgespräch alles gut verstehen, und das sei ausreichend.

Damit war der Maurermeister nicht einverstanden und zog vor Gericht. Dort erklärte er, dass sein Hörverlust sich verschlimmert habe, seine lärmbelasteten Arbeitsbedingungen aber gleich geblieben seien. Vom Rententräger und hilfsweise von seiner Krankenkasse forderte der Kläger deshalb die Versorgung mit zwei bestimmten, teureren Hörgeräten. Mit diesen Hörsystemen könne er sehr viel besser in großen Räumlichkeiten hören. Außerdem gebe es keine störenden Rückkoppelungseffekte. Überdies sei das für seinen Beruf erforderliche Telefonieren mit diesen Geräten besser möglich als mit den günstigeren Geräten.

Das LSG gab ihm nun recht und verurteilte die beigeladene Krankenkasse zur vollen Übernahme der über dem Festpreis liegenden Hörgerätekosten. Die Krankenkasse sei zum unmittelbaren Behinderungsausgleich verpflichtet. Eine von der Kasse zu gewährende „notwendige Versorgung“ bedeute nicht, dass Hörgeräte lediglich Einzelgespräche unter direkter Ansprache gewährleisten sollen. Im Rahmen des Möglichen müsse auch das Hören und das Verstehen in großen Räumen und bei störenden Nebengeräuschen eröffnet werden.

Kassenhörgeräte reichen nicht: Kasse muss bei deutlichem Gebrauchsvorteil mehr zahlen

Da der Kläger diese Hördefizite sowohl im Privat- als auch im Berufsleben hat, sei hier die Krankenkasse und nicht der Rentenversicherungsträger für die Hörgeräteversorgung zuständig. Der Maurermeister habe glaubhaft dargelegt, dass die höherwertigen und teureren Hörgeräte seine Hörbehinderung viel besser ausgleichen. Die Celler Richter rügten außerdem, dass die Krankenkasse nur auf den Festbetrag verwiesen hatte, ohne den Kläger jedoch über die mögliche Hörgeräteversorgung beraten zu haben.

Kassenhörgeräte reichen nicht: Andere Urteile

Bereits am 17. Dezember 2009 hatte auch das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel geurteilt, dass Krankenkassen und Rentenversicherung Hörbehinderte nicht pauschal auf die Festpreise verweisen dürfen (Az.: B 3 KR 20/08 R). Diese seien zwar zulässig, sie müssten dann aber so hoch sein, dass sie für einen wirklichen Behinderungsausgleich genügen.

Am 30. Oktober 2014 erleichterte das BSG zudem die Antragstellung und verhinderte, dass Hörbehinderte nicht zwischen die Mühlen unterschiedlicher Leistungsträger geraten (Az.: B 5 R 8/14 R; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Danach gilt die Abgabe der Hörgeräteverordnung beim Akustiker bereits als umfassender Leistungsantrag. Wer dann tatsächlich zuständig ist, Krankenkasse oder Rentenversicherung, müssen diese dann unter sich ausmachen.

Quelle: Kassenhörgeräte reichen nicht © www.juragentur.de
https://www.juraforum.de/recht-gesetz/fuer-die-ohren-sind-hoergeraete-zum-festpreis-nicht-immer-gut-genug-664469

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