Leserzuschrift: Ich schreibe ein Referat für die Schule. Meine Frage: Wenn jemand Hörgeräte bekommt, kann er dann wieder genau so hören wie früher. Stellen die Hörgeräte den Zustand wieder her, wie es vorher war? Wäre dankbar, wenn Sie mir helfen könnten.
Rafael
Um es kurz zu sagen: Nein.
Es gibt aber ein großes ABER.
Das Hören ist ein sehr komplexer Vorgang. Neben dem Außenohr sind Mittelohr, Innenohr, die Gehörschnecke (Cochlea), sowie die Hörnerven und das Gehirn daran beteiligt.
Fällt auf diesem Weg eine Komponente aus, ist das Gehör gestört. Man spricht dann von einem Hörverlust bzw. einer Schwerhörigkeit. Ohrenarzt oder Hörakustiker können nun mit spezialisierten Instrumenten und Testverfahren herausfinden, welche Teile des Gehörs betroffen sind und welche Frequenzen nicht mehr richtig gehört werden.
Es ist nun technisch möglich, genau diesen Hörverlust mit einem Hörgerät auszugleichen. Dabei werden exakt die Frequenzen verstärkt, die der Betroffene nicht mehr richtig hören kann. Wäre der Mensch eine Maschine, dann wäre sein Hörverlust jetzt ausgeglichen und er müsste hören wie früher.
Tatsächlich ist das aber nicht so. Die meisten Hörgeräteträger sagen, dass Hörgeräte nicht so klingen, wie es das eigene Gehör früher getan hat. Das liegt am persönlichen Hörempfinden. Das Hörempfinden wird vom Gehirn gesteuert und beruht auf eingebildeten Hörerinnerungen, tatsächlichen Höreindrücken und einer gewissen Selbstschau. Das bedeutet, dass der Mensch sehr intensiv in sich hineinhorcht und den Klang der Hörgeräte mehr beobachtet, als er sein eigenes Gehör beobachten würde.
Wie ein Mensch einen Hörverlust empfindet und was sein Gehirn genau tut, um diesen Hörverlust recht lange auszugleichen, das können weder Ohrenarzt noch Hörakustiker messen. Das geht weit über gehörte oder nicht mehr gehörte Frequenzen hinaus. Das Hörempfinden ist ein sehr persönliche und absolut individuelle Angelegenheit. Hier den richtigen Klang zu treffen, ist die hohe Kunst der Audiologie und gelingt nur durch viel Ausprobieren und benötigt sehr viel Geduld.
Hörgeräte sind technische Geräte, die sehr hoch entwickelt sind. Dennoch sind es „nur“ Apparate, die etwas sehr Komplexes nachbilden sollen. Das gelingt mal mehr und mal weniger gut. Alles in allem sind Hörgeräte immer Prothesen, die eine ausgefallene Körperfunktion ausgleichen sollen.
Man muss aber sagen, dass der Hörverlust insofern ausgeglichen wird, als dass die Betroffenen anschließend wieder gut hören können. Wenn die Anfangsschwierigkeiten überwunden sind und die Leute sich eine ausreichende Zeit der Gewöhnung geben, werden sie mit den Hörgeräte bis hin zu ausgezeichneten Hörergebnisse erzielen. Jedoch ganz so wie früher kann das nicht sein, weil es eben kein natürliches Hören, sondern ein Apparatehören ist.
Das ist aber durchaus nicht schlimm, denn wir haben im Grunde kein Hörgedächtnis. Wir können uns nicht an den genauen Klang bestimmter Schallereignisse erinnern. Deshalb reicht es vollkommen aus, was Hörgeräte leisten können. Wer verspricht, mit diesem oder jenem Hörgerät könne man genau so hören wie früher, der verspricht etwas Unmögliches.
Aber durch eine sehr gute Anpassung der Hörgeräte, etwa mit der Audiosus-Methode, ist es möglich, ein möglichst natürliches Hören weitestgehend nachzuahmen. Die Betroffenen empfinden dann ihr Gehör „so wie früher“. Das Zusammenspiel von Ohr, Maschine und Gehirn machen das aus.
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: Hören wie früher, wie früher?