Fragen an die Redaktion

Hörakustiker besorgt mein Wunsch-Hörgerät nicht

eine unzufriedene Dame diskutiert mit einem Hörakustiker

Es gibt Tausende von Hörgeräten am Markt. Es gibt Im-Ohr-Hörgeräte, Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte, welche mit Akkus, mit Batterien, solche mit Kabel und solche mit Schläuchen. Und alle gibt es in verschiedenen Farben und unterschiedlichen Leistungsstufen. Wirklich relevant und auch im Handel verfügbar sind so um die 300 verschiedene Hörgeräte.

Um die große Masse der Hörgerätekunden bedienen zu können, würden wahrscheinlich 100 verschiedene Modelle ausreichen, zuzüglich der Spezialmodelle für extreme Hörverluste, besondere Trageformen und für wirklich spezielle Anwendungsfälle.

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Eine Dame hat sich in Internetforen schlau gemacht und kommt nun mit ihrem Hörakustiker nicht auf einen Nenner:

Ich bin jetzt so weit, dass ich meinen Hörakustiker verklagen werde. Damit sie das verstehen, muss ich etwas ausholen.
Ich bin 46 Jahre alt und stehe im Berufsleben. Ich bin auf gutes Hören angewiesen. Von meinem HNO-Arzt habe ich ein Rezept für zwei Hörgeräte bekommen. Ich wollte aber nicht den Fehler machen und blind in ein Geschäft laufen. Im Netz habe ich gelesen, dass man dann aller Wahrscheinlichkeit nach übers Ohr gehauen wird.
Deshalb habe ich mich in diversen Foren und Portalen schlau gemacht. Das hat mehrere Wochen in Anspruch genommen. In einem Fachforum wurden mir Oticon Hörgeräte empfohlen. Damit haben drei der Mitschreiber dort (Gold-Status!!!) sehr gute Erfahrungen gemacht.
Ich soll zwei Oticon-Modelle jeweils drei Monate zur Probe tragen, wurde mir geraten. Ich soll mich auf eine Testzeit von etwa einem Jahr einstellen.

So perfekt beraten und gut vorbereitet bin ich zu einem Hörakustiker hier in G. gegangen. Ich hab ihm gleich gesagt, dass er es bei mir gar nicht erst versuchen muss, da ich vorinformiert bin. Bei mir käme er mit Abzockertricks nicht weit. Das hat schon zu einem ersten Verdrehen der Augen und Hochziehen der Augenbrauen geführt.

Ich trug ihm meine berechtigten Wünsche vor und bat um die beiden Oticon-Geräte und die Zusicherung, die mehrere Monate ausprobieren zu können. Das hat der Inhaber aber abgelehnt. Er sagt tatsächlich, dass es ausreicht, wenn man die Hörgeräte einige Wochen trägt. Zunächst solle man sich überhaupt erst mal an Hörgeräte gewöhnen und erst dann versuchen, die Unterschiede herauszufinden.

Und dann kam die größte Frechheit: Obwohl ich explizit nach den Oticons gefragt habe, wollte er mich in kostenlose Kassenhörgeräte reinquatschen. Die stünden mir doch sowieso zu und es sei nicht falsch, erst einmal damit eine Probephase zu machen. Danach könne man immer noch schauen, welche Bedürfnisse ich habe und welche Geräte für mich infrage kommen. Außerdem führe er gar keine Oticon-Hörgeräte.

Ich bat ihn dann, diese zu bestellen. Das hat er aber abgelehnt. Jetzt habe ich Probegeräte einer anderen Marke, aber nicht von Oticon, die ich eigentlich haben wollte. Die Probegeräte sind überraschend gut. Aber eben nicht von Oticon!!!! Schon nach einer Woche bemerkte ich sie nicht mehr. Ich kann damit sogar alles hören und verstehen, obwohl mein Wunsch damit ignoriert wird.
Im Forum sagten sie mir dazu, dass das ein beliebter Trick ist, die Geräte so gut einzustellen, dass man sie behalten will.
Ich hab jetzt erst mal auf der Krankenkasse angerufen, damit die dem kein Geld überweisen, solange ich mein Okay nicht gebe, ich lass mich ja nicht für dumm verkaufen!

Dann habe ich bei Oticon angefragt und die haben gesagt, dass im Grunde jeder Hörakustiker auch ihre Produkte führen kann. Also! Bitteschön, da haben wir es doch!
Ihren Rat hätte ich gerne, bevor ich zur Anwältin gehe, meinen Sie nicht auch, dass der Hörakustiker gesetzlich verpflichtet ist, mir MEINE Hörgeräte zu besorgen?

Vielen Dank im Voraus!

Vielen Dank für Ihre interessante Frage, die tief blicken lässt.

Wissen Sie, ein Hörgerätekauf ist nicht mit dem Kauf eines Smartphones oder eines Radios vergleichbar. Es handelt sich bei Hörgeräten um Medizinprodukte. Diese müssen sorgfältig ausgewählt und individuell angepasst werden.
Selbstverständlich gibt es unterschiedliche Marken und Sie können im weiteren Verlauf der Hörgeräteanpassung auch diesbezügliche Wünsche äußern. Sie sind die Kundin und damit die Königin. Allerdings ist der Hörgerätekauf auch eine Vertrauenssache. Und dieses Vertrauen beruht auf gegenseitigem Respekt.

Wenn Sie schon in den Laden gehen und das Erste was Sie tun ist, dem Inhaber zu sagen, dass sie ihn für einen potentiellen Abzocker halten, dann würde ich nicht nur mit den Augen rollen und die Augenbrauen hochziehen, nein, ich würde Sie bitten, woanders Ihre Hörgeräte zu kaufen.

Der Hörakustiker hat doch alles richtig gemacht. Er hat Ihnen, bevor Sie sich für teure und umfassend ausgestattete Hörgeräte entscheiden, ganz gemäß der gesetzlichen Vorgaben, ein kostenfreies Basishörgerät empfohlen.
Damit sollen Sie erste Erfahrungen sammeln und sich an das Tragen von Hörgeräten, sowie die neue Hörwelt gewöhnen. Vollkommen richtig und fachlich 1A.

Anfangs ist alles so neu und so fremd, da kann man schnell verzweifeln und einen völlig falschen Eindruck vom Leben mit Hörgeräten bekommen. Stellen Sie sich vor, das wäre bei Ihnen so gewesen und Sie hätten die Wunschgeräte in den Ohren gehabt. Dann hätten Sie ganz sicher den Eindruck gewonnen, dass diese Geräte nichts taugen. Die Gewöhnung am Anfang ist das Allerwichtigste, da spielt die Marke der Hörgeräte fast überhaupt keine Rolle.

Nach und nach tastet man sich dann an die perfekten Hörgeräte heran.

Jetzt ist es aber so, dass die Ihnen zur Verfügung gestellten Hörgeräte auch noch wunderbar funktionieren und Sie damit gut hören. Ja, Sie schreiben, dass Sie sie inzwischen gar nicht mehr bemerken. Einen besseren Beweis dafür, dass diese Hörgeräte richtig für Sie sind, kann es doch gar nicht geben.
Wenn diese Hörgeräte alle von Ihnen gewünschten Funktionen bereits haben, dann haben Sie die richtigen Hörgeräte schon gefunden; und sie sind auch noch im Festbetrag der Krankenkasse enthalten. Was wollen Sie mehr?

Sollten die Geräte noch nicht alles das haben, was Sie wünschen, beispielsweise Akkutechnik oder Bluetooth oder App-Steuerung usw., dann fragen Sie den Hörakustiker, welche Leistungsklasse der zur Verfügung gestellten Hörgeräte das hat.

Selbstverständlich dürfen Sie sich Hörgeräte der Marke Oticon wünschen. Das sind sehr gute Hörgeräte, keine Frage. Aber Sie haben eben den Weg zu einem Hörakustiker gewählt, der diese Marke nicht führt.

Hörakustiker sind keine Bediensteten der Krankenkassen, sondern Handwerksmeister und Kaufleute. Sie entscheiden selbst, welche Waren sie verkaufen und welche Dienste sie erbringen. Sie entscheiden auch frei, zu welchen Preisen und Konditionen sie Hörgeräte verkaufen.

Auch in Ihrer Stadt gibt es noch andere Hörakustiker, zu denen Sie gehen können. Darunter sind ganz bestimmt auch welche, die Hörgeräte der von Ihnen bevorzugten Marke Oticon führen.

Die Frage ist nur, weshalb Sie diese Hörgeräte bevorzugen. Dem liegen ja keinerlei eigene Erfahrungen zugrunde, sondern bloß Geschwätz aus dem Netz.
Ein Hörgerät, dass bei einer Person zu tollen Ergebnissen führt, kann für eine andere Person absolut unerträglich klingen. Sie wissen also gar nicht, ob Oticon-Hörgeräte wirklich besser für Sie sind oder nicht.

Jedenfalls haben Sie mit einer Klage gegen der Hörakustiker, um ihn zu zwingen, eine bestimmte Ware ausgerechnet für Sie zu besorgen, sehr schlechte Karten. Das wird Ihnen gewiss Ihre Anwältin auch so sagen.

Gehen Sie berechtigterweise davon aus, dass Sie an einen guten Hörakustiker geraten sind. Alles, was Sie schreiben, lässt zumindest darauf schließen.

Ich möchte Ihnen Ihre Oticon-Hörgeräte auf keinen Fall ausreden. Aber da Ihr Wunsch, solche zu bekommen, lediglich auf einer vagen Empfehlung von Leuten mit Gold-Sternchen aus dem Internet beruht, ist er eigentlich gar nicht maßgebend.

Maßgebend ist, dass Sie am Ende der Hörgeräteanpassung Hörgeräte in den Ohren haben, mit denen Sie gut hören und gut verstehen. Einzig und allein darauf kommt es an.

Bildquellen:

  • unzufrieden: Peter Wilhelm KI

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Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#hörgerät #schwierige Kundin

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