Ich bin 26 Jahre alt und seit meiner Geburt schwerhörig. Ich kann die Umwelt nur dank eines Cochlea-Implantats wahrnehmen. Meine Eltern sind beide normalhörend und haben mich lautsprachlich erzogen.
Dafür bin ich ihnen sehr dankbar. Ich beherrsche die Gebärdensprache, setze sie aber so gut wie nie ein. Mir hilft es, dass ich Gebärdensprach-Dolmetscher verstehen kann. Aber ich selbst kann mich trotz verzögerter Sprachentwicklung gut verständlich machen. Meine Aussprache ist nahezu normal, das versichern mir alle.
Allerdings ermöglicht mir das Cochlea-Implantat nur ein gewisses Resthören. Es ist nicht so, dass ich nach der OP wieder richtig gut hören konnte. Trotzdem konnte ich jetzt nach vielen vergeblichen Anläufen meinen Abschluss als Bürokauffrau machen. Den Abschluss habe ich in der Lernwerkstatt/Lernbüro einer sozialen Einrichtung gemacht, mit sehr gut.
Nun bin ich seit 6 Monaten aus der Probezeit raus bei einem großen Medienunternehmen. Dort bin ich in einem Großraumbüro beschäftigt und layoute Print- und Onlinetexte. Das ist zwar nicht genau das, was ich gelernt habe, aber es macht mir Riesenspass.
Wenn man neu ist in einer Firma, findet man schnell heraus, welche Kollegen zu einem passen und welche eher nicht. Ich bin da sehr offensiv mit umgegangen. Mein Trick: Ich suche anfangs auch immer mal wieder Kontakt gerade zu denen, die mir das Gefühl geben, mich abzulehnen. Normalerweise hilft das.
Aber in der Firma gibt es eine Frau (56) die mir das Leben schwer macht. Sie nennt mich hinter meinem Rücken „Mongo“ oder „Behindi“. Wenn es darum geht, Aufgaben zu verteilen, spricht sie uns in der Runde an und wenn es um mich geht, hält sie die Hand vor den Mund und sagt „das kann das ‚Opfer‘ ja machen.“
Ich muss zugeben, dass ich das oft nur am Rande mitbekomme und manchmal darauf angewiesen bin, dass andere mir das sagen.
Die Frau gibt mir zu meiner normalen Arbeit immer noch sehr langwierige, langweilige und unangenehme Zusatzarbeiten. Dadurch bin ich dann als einzige gezwungen, länger zu bleiben.
Die anderen Leute sind mir zwar eher wohl gesonnen, aber sie haben ja durch meine Schlechtbehandlung alle auch Vorteile. Denn sie müssen jetzt keine langweiligen Arbeiten mehr machen.
Neuerdings gehen die Kollegen öfters nach Feierabend noch Sushi essen oder was trinken. Mich nehmen sie nicht mit, ich muss ja länger bleiben.
Wenn irgendwas in der Abteilung schief läuft, schiebt die Frau mir das grundsätzlich in die Schuhe. Der Chef lächelt dann immer milde und tätschelt mir mit gespieltem Mitleid auf den Kopf.
„Unsere Frau Soundso lernt das noch, nicht wahr?“
Er hinterfragt das gar nicht. Ich bin sogar an Sachen Schuld, mit denen ich gar nichts zu tun habe.
Ich bin in dieser Firma die Quoten-Behinderte. Man hat mich eingestellt, um keine Ausgleichsabgabe bezahlen zu müssen. Außerdem werde ich immer zum Chef zitiert, wenn der neue Kunden hat und einen Abschluss machen will. Dann bin ich gut genug, zu beweisen, dass die Firma behindertenfreundlich ist.
In Wirklichkeit neidet mir aber jeder meine zusätzlichen Urlaubstage, die mir als Behinderte zustehen.
Ich werde jetzt parallel zu meiner Anstellung nach einer neuen Stelle suchen.
Sie brauchen mir nicht zu antworten. Ich wollte mir das nur mal von der Seele schreiben. Weil ja immer so getan wird, als würde jetzt die Inklusion ja so toll klappen.
Mag ja anderswo sein, aber nicht da, wo ich lebe und arbeite.
Anm. der Redaktion: Wir geben diesen Erfahrungsbericht einer Schwerhörigen ungekürzt und unkommentiert weiter.
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: behindert, gemobbt, mobbing, schwerhörig