Seit vielen Jahren unterstützen Peter Wilhelm, der Gründer von Hörgeräte-Info.Net und Ronald Wessels, der Leiter der Organisation Hörgeräte für Brasilien, eine umfangreiche humanitäre Hilfe für arme Menschen in Brasilien.
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- „Favela“ heißt nicht automatisch Elend – Wie vielfältig das Leben in Rios Hügeln wirklich ist
- Wie viele Menschen leben in Favelas – und in welcher Lage?
- Warum Menschen mit Einkommen trotzdem in der Favela wohnen
- Die große Spannweite: Von Rocinha bis zum ruhigen Hügel
- Infrastruktur: viel Eigenleistung, lückenhafte öffentliche Dienste
- Sicherheit und Staatlichkeit: zwischen Fortschritt und Rückschlägen
- Integration statt Isolation
- Zwischenfazit: Was stimmt – und was nicht
- Was sich ändert – und was es braucht
- Fazit
- Bildquellen:
Die beiden Männer sammeln in unserer Wohlstandsgesellschaft nicht mehr benötigte Hörgeräte ein und führen sie dann in vielen Ländern der Welt einer neuen, weiteren Verwendung durch hörbehinderte Menschen zu.
Ob das Nepal, Buthan, Namibia, Ukraine oder Gaza ist, die Hilfe von Hörgeräte-Info.Net hilft den Menschen vor Ort, direkt, ohne Zwischenverwaltung, ohne Wasserkopf und ohne versteckte Kosten.
Wer an große Organisationen spendet, muss sich darüber im Klaren sein, dass von einem gespendeten Euro oft weniger als 30 Cent bei den Hilfsbedürftigen ankommen. Bei der Hörgeräte-Hilfe von Hörgeräte-Info.Net ist das anders.
Alle gespendeten Hörgeräte und Materialien kommen dort an, wo sie dringend benötigt werden, bei den armen und bedürftigen Menschen in Krisengebieten und Armenvierteln.
Es kann nie ausgeschlossen werden, dass auch Bessergestellte in den jeweiligen Ländern von dieser Hilfe profitieren. Das ist Herrn Wilhelm und Herrn Wessels aber egal, solange das mithilft, dass so viele schwerhörige Menschen wie möglich mit funktionierenden Hörgeräten versorgt werden. Ob Afrika, Südamerika oder Länder im Osten Europas, überall dort gibt es Strukturen aus Korruption, Filz und Vorteilnahme. Das ist von Hilfsorganisationen weder zu durchschauen, noch zu bekämpfen und schon gar nicht zu bewerten. In einem Land, so wissen die unermüdlichen Helfer Wilhem und Wessels ganz genau, nimmt eine zentrale Klinik die Vergabe der gespendeten Hörgeräte vor. Immer gehen zwei oder drei Gerätepaare von mehreren hundert gespendeten Hörgeräten auch an Angehörige der Ärzte und Audiologen in diesem Land. Das wissen die Helfer, lassen es aber zu, da dieses Vorgehen das Weiterbestehen der Versorgung mit Hilfsmitteln garantiert.
Dennoch: Abgesehen von kleinen Spenden für Porto und Handling, die freundliche Spender manchmal beilegen, geht alles, was gespendet wird, in die Zielländer. Da gibt es keine Abzüge für Verwaltung, internationale Kontaktpflege oder protzige Bauten und Fahrzeuge.
Heute wollen wir uns einmal anschauen, wo die Brasilien-Hilfe von Hörgeräte-Inbfo.Net hingeht. Die Favelas von Brasiliens Metropole Rio de Janeiro.

„Favela“ heißt nicht automatisch Elend – Wie vielfältig das Leben in Rios Hügeln wirklich ist
Viele Deutsche stellen sich unter den Favelas1 von Rio de Janeiro eine einzige, homogene Welt aus Armut und Hoffnungslosigkeit vor.
Diese Vorstellung greift zu kurz. Favelas sind vor allem informelle Stadtteile mit sehr unterschiedlicher sozialer Zusammensetzung – von prekären Haushalten bis hin zu Familien mit stabilem Einkommen und bescheidenem Wohlstand. Entscheidend ist weniger „Elend“ als vielmehr die Form der Wohnraumbeschaffung: gebaut ohne vollständige Genehmigungen, oft auf knappen Flächen, häufig mit nachrüstbarer Infrastruktur. Das erklärt, warum auch gut integrierte, berufstätige Menschen – bis hin zu deutsch-brasilianischen Familien – dort wohnen: Sie finden nur dort bezahlbaren Wohnraum in guter Lage2.

Wie viele Menschen leben in Favelas – und in welcher Lage?
Laut dem jüngsten Zensus des brasilianischen Statistikamts IBGE leben landesweit rund 16,4 Millionen Menschen in „Favelas und urbanen Gemeinschaften“ – etwa 8,1 % der Bevölkerung. Für den Bundesstaat Rio de Janeiro weist IBGE eine Größenordnung von rund 12–13 % aus. Das Institut hat die Begrifflichkeit jüngst auch offiziell aufgewertet und die stigmatisierende Kategorie „Subnormale Agglomerate“ abgeschafft. Sprache formt Realität – und hier wird anerkannt, dass es sich um Stadtteile handelt, nicht um „Abweichungen“3
Wichtig: Forschung seit den 1970er-Jahren – prominent Janice Perlmans „Myth of Marginality“ – zeigt, dass Favelas sozial und ökonomisch mit der Stadt verflochten sind. Viele Bewohner arbeiten formell oder informell in der Stadt, zahlen für Strom und Internet, pendeln, konsumieren, gründen Unternehmen. Die Marginalität ist weniger sozial als rechtlich-räumlich (Bau- und Eigentumsstatus, Planungsrecht).

Warum Menschen mit Einkommen trotzdem in der Favela wohnen
Der Kern ist Wohnraummangel und Preis. Rios formeller Wohnungsmarkt ist teuer; zentrale Lagen am Berghang neben wohlhabenden Vierteln sind für viele Haushalte nur informell erschwinglich. Die Favela bietet Nähe zu Arbeit, Schule, ÖPNV – und Eigentum in kleinen Schritten (Ausbau in Eigenleistung). Für manche Familien ist das ein pragmatischer Weg zu bescheidenem Wohlstand, nicht Ausdruck von „Elend“. Gleichzeitig bleibt die Unsicherheit: fehlende Titel, Risiko von Räumungen oder Hangrutschungen und die Abhängigkeit von lokaler politischer Stabilität4.
Die große Spannweite: Von Rocinha bis zum ruhigen Hügel
Die Bedingungen reichen von extrem dicht bebauten Gebieten wie Rocinha (offiziell ~1,4 km², inoffiziell weit über 100 000 Einwohner) mit Engstellen, Müll- und Stromproblemen bis zu kleineren, stabileren Gemeinden mit sukzessiv ausgebauter Infrastruktur. Diese Heterogenität erklärt, warum Berichte zugleich von „massiver Not“ und von „stabilem Alltag“ erzählen können5.
Infrastruktur: viel Eigenleistung, lückenhafte öffentliche Dienste
Wasser, Abwasser, Abfall, Strom: In vielen Favelas sind diese Dienste teilweise vorhanden, aber unvollständig. Während Elektrizität und Internet oft erstaunlich gut verfügbar sind, bleibt die Abwasserentsorgung ein strukturelles Defizit; Investitionen kommen ungleichmäßig oder stocken. Projekte der Aufwertung (z. B. Sanitation-Programme, UPP-Folgeinvestitionen) zeigten gemischte Resultate – Verbesserungen sind messbar, fallen aber ungleich aus und halten nicht überall an6.
Sicherheit und Staatlichkeit: zwischen Fortschritt und Rückschlägen
Rios „Pacification“ (UPP) brachte zeitweise sichtbarere Polizeipräsenz und verbesserte Zugänglichkeit, aber die Bilanz ist ambivalent: punktuelle Kriminalitätsrückgänge standen neben Vertrauensverlust und wechselnder politischer Unterstützung. Für den Alltag heißt das: Sicherheit ist orts- und zeitabhängig; viele Gemeinden organisieren zusätzlich zivile Strukturen (Nachbarschaftsvereine, NGOs)7.
Integration statt Isolation
Die verbreitete Annahme, Favelas seien „vom Rest der Gesellschaft abgeschnitten“, stimmt so nicht. Viele Viertel sind ökonomisch eingebunden und zunehmend auch administrativ anerkannt – jüngst etwa durch neue Postleitzahlen (CEPs) für bislang „namenlose“ Gassen. Das klingt banal, ist aber entscheidend: Ohne Adresse kein Vertrag, kein Bankkonto, keine Lieferung, keine staatliche Leistung. Solche Schritte normalisieren den Alltag und eröffnen Zugang zu Rechten8.
Zwischenfazit: Was stimmt – und was nicht
- Stimmt: Es gibt Favelas mit harter Armut, Defiziten bei Wasser/Abwasser, hoher Dichte und Sicherheitsproblemen. Das darf man nicht romantisieren9.
- Stimmt ebenso: Favelas sind sehr unterschiedlich. Viele Bewohner haben Arbeit, betreiben kleine Firmen, investieren in Hausausbau und leben „bescheiden gut“. Favelas sind Teil der Stadt, nicht außerhalb10.
- Kernproblem: nicht „kulturelle Randständigkeit“, sondern informelles Bauen und lückenhafte öffentliche Investitionen – also Stadtplanung, Eigentumstitel, Grundversorgung11.
Was sich ändert – und was es braucht
Aktuelle Trends (neue amtliche Begriffe, Adressvergabe, punktuelle Aufwertungen) deuten auf eine schrittweise Normalisierung hin. Damit die Vielfalt der Favelas als städtische Realität anerkannt wird, braucht es: kontinuierliche Infrastruktur-Investitionen (v. a. Abwasser), rechtliche Absicherung (Titel/Erbpacht), sichere Mobilität und Beteiligung der Bewohner bei Planung und Umsetzung. Dann kann aus „wilder Bebauung“ echte Stadt werden – mit allem, was dazugehört12.
Fazit
Nicht „alle sind arm“ – vielmehr wohnen in Rios Favelas Menschen in sehr unterschiedlichen Lebenslagen, weil sie nur dort bezahlbaren, gut angebundenen Wohnraum finden oder schrittweise Eigentum aufbauen können. Wer die Favelas verstehen will, sollte sie als vielschichtige, informelle Stadtteile betrachten – mit Problemen, ja, aber auch mit Dynamik, Unternehmergeist und Alltag, der längst Teil des großen urbanen Ganzen ist13.
Hierzu gehört:
- Hilfe für Schwerhörige in den Favelas in Rio de Janeiro -1-
- Hilfe für Schwerhörige in den Favelas in Rio de Janeiro -2-
- Hilfe für Schwerhörige in den Favelas in Rio de Janeiro -3-
Bildquellen:
- IMG-20250830-WA0152_800x500: Ronald Wessels
- SalvadorDaBahiaFavelaBonfim_800x500: CC BY-SA 3.0, wikimedia.org
- Favela-Nova_Friburgo_800x500: CC BY-SA 2.0, wikimedia.org
- Favela_not_far_from_Copacabana_800x500: Leon petrosyan, CC BY-SA 4.0, wikimedia.org
Fußnoten:
- https://de.wikipedia.org/wiki/Favela (zurück)
- https://clacs.berkeley.edu/brazil-becoming-gente-rios-favela (zurück)
- https://agenciadenoticias.ibge.gov.br/en/agencia-news/2184-news-agency/news/41844-2022-census-in-mare-rj-ibge-releases-data-about-favelas-and-urban-communities (zurück)
- https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/00018392241240469 (zurück)
- https://www.lemonde.fr/economie/article/2025/02/23/a-rocinha-la-favela-la-plus-densement-peuplee-du-bresil_6560347_3234.html (zurück)
- https://catcomm.org/live-sanitation/ (zurück)
- https://openknowledge.worldbank.org/entities/publication/2e22d55a-5a63-5c79-ac01-aeb24a3c342c (zurück)
- https://agenciadenoticias.ibge.gov.br/en/agencia-news/2184-news-agency/news/44803-ibge-data-contributes-to-postal-recognition-of-favelas-and-poor-urban-communities-in-brazil (zurück)
- https://www.lemonde.fr/economie/article/2025/02/23/a-rocinha-la-favela-la-plus-densement-peuplee-du-bresil_6560347_3234.html (zurück)
- https://clacs.berkeley.edu/brazil-becoming-gente-rios-favela (zurück)
- https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0264275121003152 (zurück)
- https://agenciadenoticias.ibge.gov.br/en/agencia-news/2184-news-agency/news/44803-ibge-data-contributes-to-postal-recognition-of-favelas-and-poor-urban-communities-in-brazil (zurück)
- https://clacs.berkeley.edu/brazil-becoming-gente-rios-favela (zurück)
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