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Es gibt keine unsichtbaren Hörgeräte – Werbung für „unsichtbare“ Hörgeräte untersagt: LG Berlin fällt wegweisendes Urteil

Ein Symbolbild für Gerichtsurteile. Es zeigt zwei Gesetzbücher auf einem Tisch. Daneben liegt ein Richterhammer.

Das Landgericht Berlin hat in einem aktuellen Verfahren der Wettbewerbszentrale einem Online-Anbieter von Hörsystemen untersagt, ein bestimmtes Hörgerät als „unsichtbar“ zu bewerben. 1

Hintergrund des Urteils: Unsichtbarkeit versus Realität

Der betroffene Hörgeräteanbieter hatte das bewusste Hörsystem auf seiner Website und auf Facebook mit der Aussage „UNSICHTBARES Hörgerät, das sich jeder leisten kann“ beworben. Die Wettbewerbszentrale leitete ein Verfahren ein, da die Rückholeinrichtung des beworbenen Hörgeräts in die Ohrmuschel hineinragte, was der Behauptung der Unsichtbarkeit widersprach.

Das Gerichtsurteil: Irreführende Werbung gemäß § 5 UWG

Das Landgericht Berlin schloss sich der Argumentation der Wettbewerbszentrale an und urteilte, dass die Werbung als irreführend im Sinne des § 5 UWG anzusehen sei. Die Aussage „unsichtbar“ dürfe nur verwendet werden, wenn das Hörgerät beim Tragen tatsächlich für außenstehende Personen nicht wahrnehmbar ist. Da die Rückholeinrichtung sichtbar blieb, selbst wenn das Gerät vollständig eingeführt war, sei die Werbung mit „unsichtbar“ unzulässig.

Klarstellung des Gerichts: „Fast unsichtbar“ ist zulässig

Das Urteil betont, dass ein Hörgerät, das nur „fast“ unsichtbar ist, auch entsprechend beworben werden müsse. Es dürfe nicht der Eindruck einer vollständigen Unsichtbarkeit erweckt werden, wenn dies nicht der Realität entspricht. Klarstellende Einschränkungen wie „fast“ oder „nahezu“ seien erforderlich, um die Verbraucher nicht zu täuschen.

Ausblick: Bedeutung des Urteils für die Werbung mit Hörgeräten

Das wegweisende Urteil des Landgerichts Berlin hat Konsequenzen für die Werbung im Bereich der Hörgeräte. Es verdeutlicht, dass Hersteller bei der Bewerbung von „unsichtbaren“ Hörgeräten die Realität präzise widerspiegeln müssen, um irreführende Werbung zu vermeiden. Die Klarstellung des Gerichts bietet Orientierung für zukünftige Marketingstrategien in der Branche.

Aus dem Urteil

Zitat

5. Die Werbeaussage der Beklagten entsprach nicht der Wahrheit, da das Hörgerät „xxx“ beim Tragen nicht in jedem Fall tatsächlich unsichtbar im Sinne von „für außenstehende Personen nicht wahrnehmbar“ ist.

Randnummer36
a) Da die Rückholeinrichtung des Geräts aus dem eigentlichen Gerätekorpus herausragt und sich – schon aus rein technischen Gründen – in der Ohrmuschel des Trägers befindet, bleibt diese auch bei einer vollständigen Einführung des Geräts in den Gehörgang von außen sichtbar. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass der entsprechende Faden trotz der Verdickung am Ende wegen der Ausführung in durchsichtigem Kunststoff weitgehend unauffällig ist. Allerdings besagt die Werbung der Beklagten gerade nicht, dass ihr Gerät nur „fast“ unsichtbar ist, sondern sie nimmt für dieses eine vollständige Unsichtbarkeit in Anspruch.

Randnummer37
b) Nach Auffassung der Kammer verbietet es sich angesichts der fehlenden Einschränkungen der Werbebehauptung danach zu differenzieren, ob das Gerät in „gewöhnlichen Alltagssituationen“ für Andere sichtbar ist oder ob dies nur bei bestimmten Abständen oder Blickwinkeln zum Träger oder einer ungünstigen Ohranatomie der Fall ist. Insoweit fehlt es an objektivierbaren Maßstäben, ab wann die Grenze zu einer „faktischen“ Unsichtbarkeit erreicht beziehungsweise überschritten sein soll. Aus diesem Grunde erübrigte sich auch eine nähere Inaugenscheinnahme des Eindrucks, welchen das Gerät bei verschiedenen Trägern erzeugt. Die Werbebehauptung müsste nämlich aus dann zutreffen, wenn nach Auffassung der Beklagten ungünstige Umstände vorliegen, die etwa durch die anatomischen Besonderheiten eines Nutzers bedingt sind. Dies ist aber nicht der Fall, da – auch durch das Herausrutschen des Rückholfadens aus der Ohrmuschel – immer Situationen vorstellbar sind, in denen dieser ohne Weiteres wahrgenommen werden kann.

Randnummer38
c) Die Kammer hielt es für nicht lebensnah, dass ein erheblicher Teil des Verkehrs zwischen der Sichtbarkeit des eigentlichen Geräts und derjenigen der Rückholvorrichtung unterscheidet. Bei dem Rückholfaden handelt es sich um einen fest installierten Teil des Hörgeräts, so dass nicht ersichtlich wäre, warum die Behauptung „unsichtbar“ nur auf den eigentlichen Korpus bezogen werden sollte. Ein solches Verständnis würde nur dann naheliegen, wenn die Werbung der Beklagten diesbezüglich einschränkende Hinweise enthalten würde.

Randnummer39
d) Die Beklagte hat auch nicht darlegen können, dass der Verkehr im Bereich von Hörgeräten an werbliche Übertreibungen in Bezug auf die „Unsichtbarkeit“ von In-Ear-Geräten gewöhnt wäre und daher damit rechnet, dass diese nicht tatsächlich unsichtbar sind.

1 Das Urteil (Az. 102 O 121/22) erging am 25. Juli 2023 und ist derzeit noch nicht rechtskräftig.

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