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Wie viele Hörgeräte testen?

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So viele Hörgeräte sollten Sie wirklich ausprobieren – und warum weniger oft mehr ist.

Viele Menschen mit frisch diagnostizierter Schwerhörigkeit stehen vor derselben Frage: Wie viele Hörgeräte muss ich eigentlich testen, um das richtige zu finden? Im Internet liest man häufig, man solle „alle Marken ausprobieren“ oder „so lange suchen, bis das perfekte Hörgerät gefunden ist“. Doch dieser Ansatz führt in der Praxis fast immer zu Frust, Verwirrung – und schlechteren Entscheidungen.

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Eine Leserfrage

„Ich habe seit neun Monaten die Diagnose Schwerhörigkeit, beidseitig etwa 40 dB Verlust im Hochtonbereich. Ich war sehr motiviert und habe mich vorher in Foren, Gruppen und auf Frageportalen informiert. Alle raten dort: Möglichst viele Hersteller ausprobieren – Widex, Oticon, Phonak, Unitron, Signia, Hansaton, Audioservice, Bernafon … Das habe ich ernst genommen und bin inzwischen beim 14. Hörgeräte-Paar. Aber jetzt weiß ich gar nicht mehr, wie die ersten Modelle geklungen haben. Ich trage jedes Paar etwa eine Woche, aber ich merke nur, dass ich immer unsicherer werde. Wie komme ich zu einer Entscheidung? Muss ich wirklich alle Hörgeräte der Welt testen, um das richtige zu finden?
Ich habe von Leuten gelesen, die schon 18 Monate lang testen. Einer hat 100 Hörgeräte ausprobiert und findet immer wieder etwas, das nicht gut ist. Ich möchte aber das perfekte Hörgerät finden.“

Die ehrliche Antwort: Bitte hören Sie auf, Hörgeräte endlos zu vergleichen!

Wer zu viele Hörgeräte testet, gerät fast zwangsläufig in eine Ausprobier-Spirale, aus der man nur schwer wieder herauskommt. Der Klang eines Hörgeräts ist nichts Statisches – Ihr Gehirn benötigt Zeit, um sich an eine neue Klangwelt zu gewöhnen. Wenn aber alle paar Tage oder jede Woche andere Geräte ins Ohr kommen, findet dieser Anpassungsprozess nie statt.

Das Ergebnis ist fast immer dasselbe: Verwirrung, Frustration und die Illusion, dass „irgendwo da draußen“ das perfekte Gerät wartet.

Dabei ist die Wahrheit viel einfacher: Sie brauchen nicht viele Hörgeräte – Sie brauchen die richtigen.

Warum zu viele Hörgeräte schaden

  • Sie können sich an keinen Klang gewöhnen – das Gehirn braucht Wochen, nicht Tage.
  • Eindrücke verschwimmen – nach 6 oder 10 Geräten weiß niemand mehr, wie Nummer 1 klang.
  • Ihr Hörakustiker kann nicht zielgerichtet anpassen, wenn ständig neue Geräte kommen.
  • Die Erwartungshaltung wird unrealistisch – ein Hörgerät ersetzt kein gesundes Gehör.
  • Die gefundenen Ratschläge im Netz sind Blödsinn. Da wollen sich Leute wichtig machen. Ihnen schadet das nur.

Kurz gesagt: Mehr Geräte bedeuten nicht bessere Ergebnisse, sondern schlechtere Entscheidungen.

Der richtige Weg: Nur wenige, gut geprüfte Hörgeräte testen

Wenn Sie sich überfordert fühlen, machen Sie Folgendes:

  1. Geben Sie alle derzeit getesteten Hörgeräte zurück.
  2. Bitten Sie Ihren Hörакustiker, mit einfachen, guten Kassen-Hörgeräten (HdO) zu beginnen.
  3. Testen Sie diese Geräte mindestens 14 Tage, besser 3–4 Wochen.

Führen Sie unbedingt ein Hörtagebuch:

  • In welchen Situationen hören Sie gut?
  • Wo haben Sie Probleme?
  • Wie fühlen sich die Hörgeräte im Alltag an?

Diese Informationen sind Gold wert – für Sie und für Ihren Akustiker.

Nach der ersten Testphase: Ergebnisse auswerten

Wenn die Kassen-Hörgeräte Ihnen ein gutes Verstehen ermöglichen, haben Sie bereits eine hervorragende Basis. Dann können Sie entscheiden:

  • Bleiben Sie bei der Kassenlösung?
  • Oder möchten Sie vom gleichen Hersteller eine höhere Technikstufe mit mehr Komfort?

Waren die Ergebnisse nicht gut, folgt Schritt zwei:

  1. Wählen Sie ein Hörgerät mit moderater Zuzahlung.
  2. Ihr Akustiker passt es anhand Ihres Hörtagebuchs gezielt an.
  3. Dann folgt wieder eine längere Probephase.

Auf diese Weise gelangen Sie in maximal 3–4 Testschritten zu einem wirklich passenden Hörgerät. Das ist effektiv, überschaubar und führt fast immer zum besten Ergebnis.

Warum Sie niemals „alle Marken testen“ sollten

Kein Akustiker und kein Arzt empfiehlt, jede Woche andere Geräte auszuprobieren. Nicht, weil Hersteller ausgeschlossen würden – sondern weil dieses Vorgehen fachlich falsch ist.

Der Klang ist heute bei allen großen Herstellern gut. Die Unterschiede liegen eher in:

  • Bedienung
  • Tragekomfort
  • Automatikfunktionen
  • Klangphilosophie
  • Anpassung durch den Akustiker

Das beste Hörgerät ist nicht das, was in Foren gefeiert wird – sondern das, was Sie im Alltag zuverlässig verstehen lässt.

Fazit: Wie viele Hörgeräte sollte man testen?

Sie brauchen keine 10, 12 oder 14 Hörgeräte zum Vergleich. Optimal sind 2–4 gut ausgewählte Modelle – getestet über einen längeren Zeitraum, nicht im Wochenrhythmus.

Das Ziel lautet nicht, „das perfekte Hörgerät“ zu finden, sondern das Hörgerät, mit dem Sie gut hören und gut leben. Und dieses finden Sie durch Ruhe, Struktur – und nicht durch eine endlose Testspirale.

Deshalb ist das Marathontesten Schwachsinn

Die Tests dienen nur dazu, ein gutes Gerät zu finden, mit dem sie arbeiten und leben können. Der Rest kommt erst im Laufe von Wochen und Monaten. Denn die Eingewöhnungsphase ist das Allerwichtigste.
An neuen Geräten wird Sie immer irgendetwas stören. Der Klang ist zu metallisch. Das Gerät klingt zu warm und weich. Das Gefühl hinter dem Ohr ist störend. Es wird immer irgendetwas sein.
Was nun die Marathon-Tester aber übersehen und weshalb sie schwachsinnige Ratschläge geben, ist Folgendes: Alle neuen Geräte bringen neue Höreindrücke mit, die auch mal störend, fremd und seltsam sein können.
Aber alles dieses Störende, Fremde und Seltsame wird ganz von allein vollkommen verschwinden, wenn Ihr Gehirn sich an den Höreindruck dieses Hörgeräts erst einmal gewöhnt hat. Und das wird es!
Wenn Sie aber nun dem Gehirn gar keine Chance geben, die Eingewöhnungsphase zu absolvieren, weil Sie sofort wieder was anderes ausprobieren, werden Sie mit den Anfangsschwierigkeiten nie zurechtkommen.

Weiterführend

Lesen Sie mehr zu typischen Fehlvorstellungen, zur Hörgeräteanpassung und darüber, warum das Gehirn Zeit braucht, um neues Hören zu verarbeiten, in meinen beiden hervorragenden Ratgebern:

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