Hörgeräte werden vorwiegend hinter dem Ohr getragen. Die Schallübertragung erfolgt durch einen Schlauch oder heutzutage immer mehr durch ein Kabel. An dessen Ende sitzt das Ohrpassstück, die Otoplastik. Diese Otoplastik wird maßgefertigt.
Viele Hörgeräteträgerinnen und -träger verwenden stattdessen offene, leichte Schirmchen oder Domes. Diese sind auf den ersten Blick angenehmer zu tragen, haben aber entscheidende Nachteile.
Richtig gute Hörgeräte werden von richtig guten Hörakustikern mit richtig guten Otoplastiken angepasst.
Dazu hat eine Leserin aus Hamburg mehrere Fragen:
Vielen Dank für Ihre Zuschrift, die eine wunderbare Sammlung von Irrtümern, Halbwahrheiten und überzogenen Erwartungen ist.
Verzeihen Sie mir, dass ich das so sagen muss. Aber lesen Sie meine nachfolgenden Erklärungen, dann werden Sie verstehen, weshalb ich zu dieser Einschätzung komme.
Keine Abzocke erkennbar
Sie haben vor zwei Jahren Hörgeräte bekommen und es wurden Ihnen nach Abdruck vom Ohr maßgefertigte Otoplastiken aus Thermotec angefertigt.
Das Material ist sehr gut und verspricht, durch Körperwärme so flexibel zu werden, dass es sich besonders gut an den Gehörgang anpasst.
Die Krankenkasse übernimmt auch die Kosten für Otoplastiken bis zu einer bestimmten Höhe. Dass Sie bei diesem Hörakustiker 40 Euro Aufpreis für die Ausführung in Thermotec bezahlen mussten, ist völlig normal. Das ist nicht generell so, aber trotzdem durchaus üblich. 40 Euro sind hier ein günstiger Preis, würde ich sagen. Sie haben etwas Besonderes gewünscht und bekommen.
Kunststoffe verändern im Laufe der Zeit ihre Eigenschaften. Das ist vollkommen normal. Im Allgemeinen spricht der Laie dann davon, „dass die Weichmacher rausgehen“ und das Material spröder wird. Ob das bei Ihren Thermotec-Otoplastiken zutrifft, kann ich ohne Inaugenscheinnahme der Ohrstücke nicht sagen. Aber immerhin ist allgemein bekannt, dass sich die Eigenschaften von Kunststoffen verändern.
Die Platzierung im Gehörgang ist für das Material auch eine grundsätzliche Herausforderung. Dort herrschen mitunter tropische, warm-feuchte Zustände, die bestimmten Materialien zusetzen können.
Es ist allgemein bekannt, dass sich die Gehörgänge im Laufe der Zeit auch ändern können. Sie können weiter werden, sie können enger werden und auch die Biegung und der Verlauf können Schwankungen unterworfen sein. Alleine das dauernde Tragen von Otoplastiken kann hier schon eine Rolle spielen. Auch Gewichtszunahme/-veränderung und altersbedingte Veränderungen im Gesicht und am Kopf oder auch Änderungen an evtl. vorhandenen Zahnprothesen können mitunter dazu führen, dass Otoplastiken nach einer gewissen Zeit nicht mehr perfekt passen.
Otoplastiken sind Verschleißartikel
Insgesamt muss man sagen, dass Otoplastiken also in gewissem Maße ein Verbrauchsmaterial, ein Verschleißartikel sind. Mit viel Glück, und das erleben wir oft, halten sie ebenso lang, wie die Hörgeräte, zu denen sie gehören.
Aber viel häufiger kommt es vor, dass die Ohrstücke nach einer bestimmten Zeit nachgearbeitet oder neu gemacht werden müssen.
Wie lang dieser Zeitraum ist, kann niemand genau sagen. Manche Hörgeräteträger gehen fast halbjährlich zum Hörakustiker und lassen die Ohrstücke nacharbeiten. Andere haben hier nur alle 4 bis 6 Jahre einen Bedarf.
Sie sind also weder fachlich schlecht beraten worden, noch hat der Hörakustiker unkorrekt gearbeitet. Sie wurden auch nicht betrogen oder abgezockt. Das ist sehr weit hergeholt und entbehrt meiner Ansicht nach jeder Grundlage.
Hörgeräte nach 6 Jahren wegwerfen?
Noch ein Gedanke zu Ihrer Mail: Sie schreiben, die Hörgeräte seien Ihnen für sechs Jahre verschrieben worden. Das ist falsch.
Sie haben eine Schwerhörigkeit, die mit Hörgeräten behandelt werden kann. Die benötigten Hörgeräte zahlt bis auf einen kleinen Zuschuss Ihre Krankenkasse. Wenn Sie freiwillig aufwendigere Geräte kaufen, müssen Sie den Differenzbetrag aus eigener Tasche zuzahlen.
Es gibt keine zeitliche Begrenzung, wie lange Sie diese Hörgeräte benutzen können, sollen oder müssen.
Wenn die Hörgeräte es mitmachen, können Sie diese ohne Probleme so lange tragen, wie es Ihnen beliebt. In meiner Sprechstunde rufen immer mal wieder Leute an, die ihre Geräte 12 Jahre oder länger schon tragen. Wenn sie noch funktionieren und noch ein ausreichendes Sprachverstehen ermöglichen und der Hörakustiker sie noch nachjustieren kann, spricht überhaupt nichts gegen eine Verwendung über viele Jahre.
Man geht aber seitens der Krankenkassen davon aus, dass alle sechs Jahre so gute neue Hörgerätemodelle auf dem Markt sind, dass diese einen Mehrwert für den Patienten bedeuten können. Das passt auch mit der typischen Lebensdauer der Hörgeräte von etwa 6 bis 10 Jahren zusammen. Wenn es medizinisch erforderlich ist, haben Sie also nach sechs Jahren einen erneuten Anspruch auf kostenlose Hörgeräte, bzw. einen entsprechenden Zuschuss.
Sie müssen also nicht davon ausgehen, dass Ihre Hörgeräte nach sechs Jahren plötzlich nicht mehr funktionieren. Demzufolge müssen Sie die Geräte auch nicht wegwerfen. Im Gegenteil: Es ist für Sie kostengünstiger, die bewährten Geräte so lange zu nutzen, wie es geht. Das alles sage ich vor dem Hintergrund, dass diese Hörgeräte Ihnen noch ein gutes Sprachverstehen ermöglichen.
Ja, es ist sogar so, dass, wenn Ihr Hörverlust rapide abnimmt und mit den jetzt vorhandenen Hörgeräte nicht mehr ausgeglichen werden kann, Sie einen vorzeitigen Anspruch auf neue Hörgeräte haben können.
Zu berücksichtigen ist auch, dass die Hörgerätehersteller natürlich irgendwann an sehr alten Geräten keine Reparaturen mehr durchführen und keine Ersatzteile mehr liefern können.
Zusammenfassung
Otoplastiken und Hörgeräte sind wichtige Hilfsmittel für Menschen mit Hörverlust. Es ist jedoch normal, dass sie mit der Zeit Verschleißerscheinungen zeigen. Faktoren wie Materialveränderungen, klimatische Bedingungen im Gehörgang und individuelle körperliche Veränderungen können dazu führen, dass Otoplastiken nachgearbeitet oder ersetzt werden müssen. Dies ist ein üblicher Teil der Anpassung und keine Fehlleistung des Hörakustikers.
Die Zusatzkosten für spezielle Materialien wie Thermotec-Otoplastiken sind üblich und vergleichsweise niedrig, weil sie einen besonderen Komfort bieten.
Hörgeräte sind technisch langlebig und können oft viele Jahre genutzt werden, sofern sie noch ausreichendes Sprachverstehen ermöglichen und repariert werden können. Krankenkassen fördern jedoch neue Geräte etwa alle sechs Jahre, da technologische Fortschritte regelmäßig Mehrwert bieten können.
Es daher klug, bewährte Geräte so lange zu nutzen, wie sie gut funktionieren, und gegebenenfalls den Hörakustiker für Anpassungen oder Reparaturen aufzusuchen. Ein vorzeitiger Austausch kann erfolgen, wenn der Hörverlust zunimmt oder Reparaturen nicht mehr möglich sind.
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