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Sind AirPods eine Alternative zum Hörgerät?

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Eine Schwerhörigkeit kann jeden treffen. Genauer gesagt: Vermutlich wird jeden früher oder später dieses Thema beschäftigen. Dann geht es zum HNO-Arzt und zum Hörakustiker. Denn das einzig wirksame Mittel ist das Hörgerät. Hörgeräte sind komplexe Medizinprodukte und in ihnen steckt jahrzehntelange Erfahrung der Hersteller. Das bedingt den Preis der Geräte. Hinzu kommt, dass man mit jedem Hörgerät auch die Expertise, Aus- und Weiterbildung der Hörakustiker mitbezahlen muss.

Zugegeben, eine gute Lobbyarbeit der Hörakustikerverbände und eine wenig flexible Gesundheitspolitik machen es schwer, die über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen anders zu gestalten. Viele sehen die Verordnungspraxis bei Hörgeräten und die Preisgestaltung kritisch. Deshalb ist es kein Wunder, dass mit relativ viel Häme, in der auch ein gewisser Sozialneid widergespiegelt ist, darüber berichtet wird, dass Elektronikkonzerne wie Apple, Sony und Bose nun mit einer neuen Geräteform auf den Markt drängen. Diese sind vornehmlich zum Musikhören gedacht, bieten aber auch Einstellmöglichkeiten, die eine individuelle Anpassung an die Hörleistung des Trägers ermöglicht. Damit werden diese Geräte zu einer Art Freizeithörhilfe. Journalisten diesseits und jenseits des Atlantiks jubeln schon, weil nun den Hörgeräteherstellern mit ihren teuren Medizinprodukten quasi durch die Hintertür die Stirn mit einer preisgünstigen Alternative geboten wird.
Außerdem kommen immer mehr sogenannte OTC-Hörhilfen auf den Markt, die ebenfalls nicht verschrieben werden, nicht angepasst werden und von jedermann im Elektroladen oder Supermarkt gekauft werden können.

Die Abgrenzung zwischen Hörgeräten und solchen Hörhilfen, Earbuds und Kopfhörern verschwimmt, seit solche rezeptfreien Hörhelfer jetzt erhältlich sind. Beispiel: Eine neue wissenschaftliche Studie behauptet, dass ein Paar AirPods Pro im Wert von 249 US-Dollar genauso gut einen Hörverlust ausgleichen, wie verschreibungspflichtige Hörgeräte, die Tausende mehr kosten.

Doch auch wenn AirPods & Co. wie eine erschwingliche Hörgerätealternative erscheinen, ist die Sache dann doch nicht ganz so einfach.

Laut Studie zogen die Wissenschaftler 21 Teilnehmer heran, um zu testen, wie gut die AirPods und AirPods Pro (zweite Generation) im Vergleich zu einem Premium-Hörgerät (ca. 10.000 US-Dollar) und einem Basisgerät (ca. 1.500 US-Dollar) abschneiden. Die Probanden wurden gebeten, kurze Sätze wörtlich zu wiederholen, während sie die Geräte trugen. Dabei stellte sich wie erwartet heraus, dass die AirPods Pro in ganz ruhigen Umgebungen ungefähr so gut wirkten wie das einfache Hörgerät und nur geringfügig schlechter als die Premium-Hörgeräte. Die AirPods der zweiten Generation schnitten von den vier Geräten am schlechtesten ab. Die Teilnehmer meinten aber, sie seien besser als nichts.

Rein aus Kostensicht sind die Ergebnisse der Studie interessant, denn AirPods sind deutlich günstiger als Hörgeräte. Verschreibungspflichtige medizinische Hörgeräte kosten durchschnittlich in den USA 2.300 US-Dollar pro Ohr. Im Vergleich dazu kosten OTC-Hörhilfen zwischen 99 und 1.000 US-Dollar pro Paar und erfordern keinen Arztbesuch.

Apples AirPods sind mit einigen hörbezogenen Barrierefreiheitsfunktionen ausgestattet, darunter Live Listen und Conversation Boost. Live Listen ermöglicht es, Töne zu verstärken, während Conversation Boost ein benutzerdefinierter Transparenzmodus ist, der Stimmen von Hintergrundgeräuschen isoliert. Die Studie zeigt, dass beide Funktionen durchaus effektiv sein können. Die Forscher betonen aber, dass das die Freizeitohrhörer jedoch nicht zu einem adäquaten Hörgeräteersatz macht – insbesondere nicht für Menschen mit fortgeschrittenem Hörverlust.

Laut der Studie sind die AirPods Pro eher mit frei verkäuflichen Hörhilfen zu vergleichen, die es auch in Deutschland gibt. Solche Personal Sound Amplification Products (PSAPs) sind viel günstiger als Hörgeräte, können aber nicht an den individuellen Hörverlust einer Person angepasst werden. Stattdessen verstärken sie alle Geräusche. Sie sind nur für Menschen mit normalem Gehör gedacht, die eine kleine Verbesserung wünschen. Zum Beispiel Jäger und Vogelbeobachter, die auf kleine, schwache Geräusche lauschen. Schließlich werden PSAPs nicht von der FDA reguliert und erfüllen möglicherweise nicht die gleichen Anforderungen an maximale Tonausgabe oder -qualität wie Hörgeräte. Experten warnen auch davor, dass mit diesen Verstärkern im Zweifelsfall auch Schäden am Gehör verursacht werden können.

„Diese spezielle Studie konzentriert sich auf technische Messungen, aber die gesamte Erfahrung des Hörgeräteträgers ist etwas komplexer“, sagt Blake Cadwell, Gründer und CEO von Soundly, einer amerikanischen Website zum Thema OTC- und verschreibungspflichtige Hörgeräte. „Zum Beispiel deutet die Studie darauf hin, dass AirPods den Klang, der von vorne kommt, nicht gut aufnehmen. Tatsächlich sind aber die meisten Menschen gerade auf das Verstehen der Stimmen vor ihnen am meisten angewiesen.“

Das Fazit lautet also, dass AirPods Pro bei einer ganz leichten Höreinschränkung eine Verbesserung des Hörens bewirken können. Verbraucher sollten sie aber nicht mit richtigen Hörgeräten verwechseln.

Immer mehr Kopfhörer-Hersteller steigen in den Markt der OTC-Hörgeräte ein. Bose brachte 2021 seine SoundControl-Hörgeräte auf den Markt, produziert sie jedoch seitdem nicht mehr (die Technologie wird jedoch immer noch in Lexie B2-Hörgeräten verwendet).
Sony hat kürzlich auch zwei OTC-Hörgeräte herausgebracht. Und zwischenzeitlich entwickeln Technologieunternehmen, darunter Apple und Samsung, weiterhin innovative Hörtechnologien, die ähnlich wie Hörgeräte und PSAPs arbeiten.

Hierzu sagt Cadwell, dass er sich derzeit keine allzu großen Sorgen um AirPods macht. „Es gibt kaum Zweifel, dass AirPods in bestimmten technischen Aspekten konkurrieren können, aber in der realen Welt gibt es nur sehr wenige Verbraucher, die AirPods tatsächlich zur Hörverstärkung verwenden.“

Es bleibt nach wie vor so, dass zum Ausgleich einer Hörminderung und vor allem für ein klares Sprachverstehen regelrechte medizinische Hörgeräte die einzige Möglichkeit sind.

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Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 21. April 2024 | Peter Wilhelm 21. April 2024

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