Fragen an die Redaktion

Geerbte Hörgeräte – Reichen die oder braucht man eine neue Anpassung?

Ein älterer Herr reinigt sein Hörgerät

Viele Hörgeräteträger fragen sich nach einer Weile, ob der ganze Aufwand mit Hörtests, Anpassungen und unterschiedlichen Preisklassen überhaupt nötig ist. Schließlich scheint das Hören ja auch mit älteren oder geerbten Geräten einigermaßen zu funktionieren. Leser Tobias hat dazu eine berechtigte Frage gestellt, die sicher viele bewegt – und ich möchte sie aus eigener Erfahrung beantworten.

Seit Jahren benutze ich immer wieder unterschiedliche Hörgeräte und habe diverse getestet.
Dabei bin ich auch bei verschiedenen Hörakustiker gewesen. Die Test mittels zu erkennenden Geräuschen erschien mir immer sehr fragwürdig.
Testergebnisse im Bekanntenkreis hatten keine großen Unterschiede. Ich hatte das Glück 2mal „gute“ Hörgeräte zu erben und sie auch zu nutzen. Der Unterschiede zu für mich angepasste Hörgeräte konnte ich nicht erkennen.
Liegt es nur an mir (meiner Skepsis) oder wird da wirklich viel Aufwand für ein und die selbe Sache betrieben?
Sind Preisunterschiede von ein paar tausend Euro wirklich berechtigt?

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Sie stellen interessante Fragen, die ich gerne beantworte, weil ich sie gut nachvollziehen kann.

Mir ist es anfangs nämlich ganz ähnlich ergangen. Ich hatte auch die fast neuen Hörgeräte eines verstorbenen Freundes geschenkt bekommen. Dafür habe ich mir neue Domes besorgt und die Geräte desinfiziert, wegen der Hygiene.
Auf Anhieb brachten die Hörgeräte, die für eine andere Person angepasst worden waren, sehr gute Ergebnisse und eine deutliche Verbesserung des Hörens und vor allem des Verstehens.

Ich weiß heute, nachdem ich mich über fast 10 Jahre intensiv fortgebildet habe und auch etliche Bücher über Hörgesundheit veröffentlicht habe, dass ich ein ähnliches Ergebnis auch mit kostengünstigen Hörverstärkern oder fast jedem anderen Hörgerät erzielt hätte.

Es ist doch so: Wenn man einen Hörverlust hat und nun Hörgeräte in die Ohren steckt, die eine gewisse Verstärkung bieten, dann hat man schon diese als Unterstützung. Die allermeisten Menschen leiden an einer Form der Presbyakusis, einer altersbedingten Schwächung des Gehörs, die überdurchschnittlich oft mit einer Einschränkung bei den hohen Frequenzen einhergeht. Deshalb sind die meisten vom Hörakustiker eingestellten Hörgeräte auch auf die Behebung dieser Hochtonschwäche justiert. Hat man selbst nun ebenfalls eine Hochtonhörschwäche, passen die Hörgeräte einer anderen Person so ziemlich. Aber eben nur so ziemlich.

Eine deutliche Verbesserung habe ich wahrnehmen können, nachdem ein Hörakustiker die Hörgeräte exakt auf mich abgestimmt hatte. Der Unterschied war riesig und zwar zum Besseren hin.
Es hängt nun natürlich davon ab, wie weit die Einstellungen der „geerbten“ Geräte von den Einstellungen, die Sie benötigen, abweichen. Wenn das nicht viel ist, werden Sie natürlich auch keinen so großen Unterschied im Vergleich zu perfekt eingestellten Geräten wahrnehmen können.

Wie Sie richtig schreiben, hatten Sie da Glück.

Es ist aber eindeutig, dass nur korrekt angepasste Hörgeräte wirklich sinnvoll sind. Der Hörakustiker kann durch Messungen und Tests ziemlich genau herausfinden, wie es exakt um Ihr Gehör bestellt ist.
Die Hörgeräte werden dann individuell auf diesen persönlichen Hörverlust eingestellt. Das ist auf jeden Fall viel besser, als sich auf gut Glück selbst mit Hörgeräten mit unbekannten Einstellungen zu versorgen.
Die geerbten Hörgeräte gleichen ja nur da passend aus, wo sie zufällig passen. Ihr Hörverlust wird aber bei näherer Untersuchung immer doch noch ein ganzes Stück weit anders aussehen, als der Hörverlust der Person, von der die geerbten Geräte stammen.
Es ist doch klar, dass die Hörgeräte, wenn sie auch noch auf diese Anweichungen genau eingestellt sind, noch viel besser funktionieren.

Das ist kein unnötiger Aufwand. Alles, was die HNO-Ärzte und Hörakustiker da machen, hat seine Berechtigung und ist sehr zielführend. Neben dem Test mit den Störgeräuschen, der oft auch online oder als Schnelltest angeboten wird, gibt es noch ganz viele andere Testmethoden und Messungen, die viel bringen.

Wegen der Preisunterschiede habe ich mich schon oft hier und in meinen Büchern und Zeitschriften-Fachartikeln geäußert. Es gibt in Deutschland keine schlechten Hörgeräte zu kaufen.
Selbst die ganz günstigen, für die die Kasse die kompletten Kosten übernimmt, sind sehr gut. Sie sind geeignet, in den allermeisten Fällen ein gutes Hören und Verstehen wiederherzustellen.
Es ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, dass die Industrie noch bessere und komfortablere Geräte herstellt. Diese bieten eine geschmeidigere Anpassung und Automatiken, Zusatzprogramme und mehr einstellbare Kanäle.
Ob damit aber unterm Strich tatsächlich ein besseres Sprachverstehen garantiert werden kann, ist ständig Gegenstand vieler Diskussionen.

Ich würde sagen, dass es sich für jemanden, der nicht über die ausreichenden Mittel verfügt, nicht lohnt, sich nach teuren, zuzahlungspflichtigen Hörgeräten zu strecken. Wenn keine Besonderheiten, wie beispielsweise eine extreme Schwerhörigkeit, vorliegen, reichen die Basisgeräte oder solche mit einer erträglichen Zuzahlung immer aus.
Wer etwas Budget hat, sollte sich beim Ausprobieren der Hörgeräte nicht gleich mit Premiumgeräten das Geld aus der Tasche ziehen lassen, sondern sich schrittweise an die bestgeeignete und bezahlbare Gerätevariante herantasten. Oft genügt schon eine kleine Zuzahlung von sagen wir 150 Euro und man bekommt das eine oder andere nützliche Feature, das einem im Vergleich zum „gratis“-Modell einen Vorteil bringt.

Gerechtfertigt sind die Preisunterschiede aber auf jeden Fall.
Ob die insgesamt hohen Preise notwendig sind, ist eine völlig andere Frage. Das könnte man ausführlich diskutieren.

Aber wie bei vielem, das man kaufen kann, gibt es eben eine solide Basisversion, zahlreiche Versionen mit diversen Extras und dann die Top-Ausführung mit allem Schnickschnack.
Wie ich aber immer sage: Man kann auch mit einem Polo von München nach Hamburg fahren, mit einem Mercedes ist es aber vielleicht angenehmer.

Fazit

Hörgeräte sind immer nur so gut wie ihre Anpassung. Ein Gerät, das zufällig halbwegs passt, kann kurzfristig helfen, ersetzt aber keine individuelle Abstimmung durch den Hörakustiker. Der Aufwand, den Fachleute betreiben, ist also keineswegs übertrieben – er sorgt dafür, dass Sie wirklich bestmöglich hören und verstehen können. Preisunterschiede zwischen einfachen Kassenmodellen und teuren Premiumgeräten bestehen zwar, bedeuten aber nicht automatisch „besseres Hören“. Entscheidend ist, dass das Hörgerät zu Ihrem Hörverlust, Ihrem Alltag und Ihrem Budget passt. Wer Schritt für Schritt testet und sich gut beraten lässt, trifft in jedem Fall die richtige Wahl – egal, ob Polo oder Mercedes im Ohr.

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(©si)